Welch einen Unterschied ein Jahr machen kann. Im Juni 2019 war der 75. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie ("D-Day") noch groß gefeiert worden. Bei dem Weltkriegsgedenken anwesend waren Staats- und Regierungschefs von den USA bis Frankreich, sogar die deutsche Kanzlerin Angela Merkel war diesmal zu einem Gedenkakt im britischen Portsmouth geladen.

"Fest der Freude" nur im Livestream

So geht es dem "Fest der Freude", das vom Mauthausen-Komitee Österreich am 8. Mai 2020 zum achten Mal veranstaltet wird. Es findet heuer erstmals nicht auf dem Wiener Heldenplatz, sondern nur im Livestream auf www.festderfreude.at sowie in einer TV-Übertragung auf ORF III statt. Der ORF widmet seinerseits heuer dem Gedenken insgesamt 110 Programmstunden, wie Generaldirektor Alexander Wrabetz mitteilte.

Großbritannien hatte diesen Tag heuer ganz besonders feierlich begehen wollen. Sogar der Mai-Feiertag des Landes, der üblicherweise am ersten Montag des Wonnemonats stattfindet, wurde heuer auf den 8. Mai, den "VE-Day" (Sieg-in-Europa-Tag), verschoben. Zahlreiche Feierlichkeiten im ganzen Land waren geplant, die Pubs hätten länger offenhalten können als sonst. Militärflugzeuge wären in Formation über den Buckingham-Palast geflogen, auf der Prachtstraße The Mall in London hätte eine Veteranenparade stattgefunden, Veranstaltungen im Londoner St. James Park hätten an das Leben in Kriegszeiten erinnert.

Festkonzert in London verschoben

Daraus wird nun vorerst einmal nichts, wie die britische Regierung bekannt geben musste. Die öffentlichen Gedenkfeiern würden nicht stattfinden, "um unsere Veteranen zu schützen", hieß es in einer Mitteilung. Genauso wurden auch Großveranstaltungen in anderen Städten Großbritanniens verschoben. Ein großes Festkonzert mit der Royal Philharmonic Concert Orchestra, das am 8. Mai live aus der Royal Albert Hall in 450 britische Kinosäle übertragen werden sollte, wurde auf den 20. September verschoben.

Queen spricht zur Nation

Immerhin bleibt ein Fixpunkt dieses Tages: Königin Elizabeth II., die im Krieg als Mechanikerin die Streitkräfte unterstütze und zu Kriegsende 19 Jahre alt war, spricht um 21.00 Uhr (22.00 MESZ) zur Nation. Anschließend soll ein landesweites "Sing-along" des legendären Weltkriegshits "We'll Meet Again" von Vera Lynn stattfinden. Die heute 103 Jahre alte Sängerin hat ebenfalls angekündigt, daran teilzunehmen. Der Titel des Liedes war zuvor bereits von der Queen in ihrer großen Fernsehrede vom 5. April zur Coronakrise zitiert worden - woraufhin der 81 Jahre alte Song umgehend die Download-Charts stürmte.

Die britischen Organisatoren hoffen allerdings immer noch darauf, die Feiern auf den Sommer verschieben und gemeinsam mit dem VJ Day (Sieg über Japan) am 15. August begehen zu können.

In Frankreich finden alle Gedenkfeiern für den 8. Mai ohne Öffentlichkeit, im kleinen Kreis statt, darunter auch das nationale Gedenken mit Präsident Emmanuel Macron, gab das Verteidigungsministerium bekannt. Die Bevölkerung soll sich mit dem Aufhängen französischer Fahnen an Fenstern und Balkonen den Feierlichkeiten anschließen. Zuvor hatte eine Mitteilung von Veteranenstaatssekretärin Geneviève Darrieussecq, wonach die lokalen Gedenkfeiern zum Schutz der Veteranen abgesagt würden, für Unmut in der französischen Politik gesorgt.

Virtuelle Schau im Haus der Geschichte

Auch viele Museen weltweit mussten geplante Veranstaltungen zum Weltkriegsjubiläum absagen und können angesichts der Sperren nicht einmal ihre Sammlungen zu dem Thema der Öffentlichkeit zeigen. Zahlreiche Institutionen behelfen sich daher mit Online-Ausstellungen - so auch das Haus der Geschichte in Wien mit der virtuellen Schau "Elf neue Perspektiven auf 1945".

Nur in der russischen Hauptstadt Moskau, wo zum "Siegestag" am 9. Mai auf dem Roten Platz eine große Militärparade stattfinden sollte, hielten die Militärs trotz der Corona-Pandemie noch bis Mitte April an dem Aufmarsch fest. Zahlreiche internationale Gäste waren geladen, darunter auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der allerdings wie viele andere Staats- und Regierungschefs gar nicht erst zugesagt hatte. Letztlich wurde aber auch in Moskau die öffentliche Weltkriegs-Gedenkfeier verschoben - auf welches Datum, ist vorerst unklar. Präsident Wladimir Putin forderte die Bevölkerung auf, den Gedenktag privat in den Familien zu begehen. Zahlreiche andere Gedenkveranstaltungen wie etwa die jährlich stattfindenden landesweiten Märsche unter dem Namen "Unsterbliches Regiment" wurden wiederum gleich ins Internet verlagert.

Dabei sollte es die größte Militärparade in der Geschichte des Landes werden, und damit sogar die Siegesparade vom 24. Juni 1945 noch übertrumpfen. Damals war die siegreiche Rote Armee über zwei Stunden lang an Sowjet-Diktator Josef Stalin vorbeidefiliert.

Für Putin ist es nun bereits die zweite Corona-bedingte Verschiebung eines für ihn politisch wichtigen Ereignisses. Bereits zuvor hatte er eine für den 22. April geplante Volksabstimmung über kürzlich beschlossene umstrittene Verfassungsänderungen vertagen lassen. Mit diesen neuen Bestimmungen könnte der heute 67-jährige Präsident bis 2036 an der Macht bleiben.

Staatsakt in Deutschland abgesagt

In Deutschland musste ebenfalls ein Staatsakt zum Gedenktag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und ausländischen Gästen abgesagt werden. Auch die Gedenkveranstaltungen an verschiedenen Erinnerungsorten der deutschen Hauptstadt Berlin wie dem Brandenburger Tor wurden gestrichen. Stattdessen findet im Internet eine "virtuelle Ausstellung" zu den Gedenkorten statt.

Im Gegensatz zu jenen Nationen, für die das Kriegsende einen Sieg bedeutete, ist der Umgang mit dem 8. Mai in Deutschland jahrelang sehr ambivalent gewesen, wie der Historiker Martin Sabrow kürzlich in einem Beitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland schilderte. Für die westdeutsche Kriegsgeneration war es zunächst vor allem ein Tag der "Vernichtung", während in der DDR der "Tag der Befreiung vom Faschismus" ganz offiziell mit Militärparaden gefeiert wurde.

Erst mit der Bundestagsrede 1985 von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der erstmals auf höchster Ebene von "Befreiung" sprach, etablierte sich demnach dieses Verständnis auch langsam in der BRD. Sabrow, Leiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, plädiert heute dafür, den 8. Mai nun auch offiziell in den deutschen Feiertagskalender aufzunehmen, wie es jüngst auch Esther Bejerano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, gefordert hatte.

Der gleichen Meinung ist der Berliner Kultursenator Klaus Lederer, der zuletzt ebenfalls einen bundesweiter Feiertag am 8. Mai gefordert hatte. Im Land Berlin wurde für 2020 dieser Tag immerhin einmalig zum Feiertag erklärt.