Der Hochhausturm am Wiener Heumarkt wird nun möglicherweise doch - noch einmal - redimensioniert. Das Projekt soll künftig den Vorgaben der UNESCO entsprechen, um das Prädikat "Weltkulturerbe" für die Wiener Innenstadt zu retten. Die UNESCO hat eine Höhe von 43 Metern als Maximum genannt.

Ein 66 Meter hohes Gebäude - das im internationalen Vergleich wohl eher nicht als Hochhaus durchgehen würde - sorgt seit Jahren für aufgeregte Debatten. Dabei würde das Objekt sogar vom Ringturm, der es auf 71 Meter schafft, überragt werden. In der ersten Version wäre das Heumarkt-Haus auf immerhin 73 Meter gekommen. Zum Vergleich: Der aktuelle Wiener Spitzenreiter, der "DC-Tower 1" auf der Donauplatte, misst 250 Meter.

Welterbeprädikat in Gefahr

Dass die Causa sich derart hochgeschaukelt hat, liegt daran, dass der Neubau das der Innenstadt zuerkannte Welterbeprädikat in Gefahr gebracht hatte - obwohl der Turm genaugenommen gar nicht im ersten, sondern im dritten Bezirk gebaut wird. Allerdings: Die außergewöhnliche, historische Stadt-Silhouette wurde bei der Aufnahme in die Welterbeliste eigens hervorgehoben. Zu deren Schutz wurde eine Art Pufferzone um den Stadtkern gezogen.

Der Wunsch, in Wien (nach Schönbrunn) noch eine Welterbestätte zu erhalten, gipfelte 2001 in der Zuerkennung des Prädikats. Dass die UNESCO nun Stress macht, geschieht nicht aus Jux und Tollerei. Vielmehr ist es eine Muss-Bestimmung: Man sei vertraglich verpflichtet, dieses Stadtbild zu erhalten, sagt die UNESCO und auch der beratende Beirat ICOMOS.

Höher als 43 Meter?

Der Wiener Heumarkt-Beauftragte, Landtagspräsident Ernst Woller, hat am Freitag im Gespräch mit Journalisten den zuvor im Gemeinderat präsentierten Kompromiss präzisiert. Er ließ dabei mit der Annahme aufhorchen, dass das Hotel Intercontinental nach dem Wegfall des Turms wohl höher gebaut wird - nämlich höher als die von der UNESCO immer wieder als Höchstgrenze eingeforderten 43 Meter.

"43 Meter sind lächerlich", befand Woller. Schon jetzt rage das Gebäude angesichts zahlreicher Aufbauten bis in eine Höhe von 48 Metern empor, gab er zu bedenken. Er verwies in einem Hintergrundgespräch mit SP-Planungssprecher Omar Al-Rawi und dem Wiener Welterbebeauftragten Rudolf Zunke darauf, dass im Bericht zur "Advisory Mission" der UNESCO keine Höhengrenze genannt wurde. Das Welterbekomitee habe sich diesbezüglich nie festgelegt.

Die 43 Meter seien lediglich von der österreichischen UNESCO-Kommission genannt worden. Bei dieser handle es sich um ein Beratungsgremium für die Welterbestätten. Woller glaubt nach eigenen Angaben nicht, dass das Komitee, das letztendlich entscheidet, auf dieser Höhe bestehen wird. Das Alternativprojekt werde sonst nämlich nicht kommen, vermutete er: "Wenn sie sagen 43 Meter, dann kriegen sie den Turm."

Zumindest laut der nun angedachten Lösung ist das mehr als 66 Meter hohe Wohngebäude allerdings nicht mehr vorgesehen. Wie hoch das Intercont - das abgerissen und neu gebaut wird - letztendlich wird, ist offen. Der Projektbetreiber Wertinvest möchte spätestens im Herbst 2020 Klarheit haben. Woller hofft wiederum, dass die UNESCO innerhalb des nächsten halben Jahres grünes Licht gibt: "Das ist mein absoluter Wunsch."

Gleichzeitig stellte er klar: "Wir stehen am Anfang des Prozesses." Man gehe nun jedenfalls den Weg des intensiven Dialogs mit dem Welterbekomitee, beteuerte Woller.

Lange Geschichte des Streits

Und so musste die Stadt bereits einmal die Reißleine ziehen: Im Mai 2016 wurde dem Investor Michael Tojner (Wertinvest) von der damaligen Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) beschieden, dass es keine Flächenwidmung für die Variante mit 73 Metern geben wird. Im Dezember 2016 wurde dann die reduzierte Variante präsentiert - sowie der Neubau des Intercont-Hotels und ein Konzept für den Eislaufverein bzw. das Konzerthaus-Umfeld. Ein Managementplan zum Welterbe wurde ebenfalls in Aussicht gestellt.

Die UNESCO ließ aber bereits wenig später wissen, dass der Entwurf des Architekten Isay Weinfeld auch in der überarbeiteten Version nicht durchgeht. In einer Mitteilung wurde unmissverständlich darauf verwiesen, dass man stets mit offenen Karten gespielt hat: "Die UNESCO fordert seit 2012 die maximale Bauhöhe mit 43 Metern zu begrenzen." Prompt wurde die Innenstadt 2017 auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt.

Die Flächenwidmung wurde trotz der Querelen beschlossen - was den Grünen übrigens eine veritable Zerreißprobe bescherte, da nicht wenige in der Öko-Partei das Projekt ablehnen. Die Debatten verstummten danach nicht. Vor allem die türkis-blaue Bundesregierung machte politischen Druck und stellte sogar eine Weisung an den nunmehrigen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in Aussicht. Der Stadtchef beklagte wiederum, dass sich der Bund, der offizieller Vertragspartner der UNESCO ist, nicht ausreichend in der Causa engagiere.

Nun soll die Endlos-Debatte doch beendet werden. Wie es weitergeht, ist jedoch noch offen. Die Pläne werden nun umgearbeitet und danach den Welterbehütern vorgelegt. Falls die neue Variante nicht den nötigen Sanktus findet, schließt der Projektwerber aber nicht aus, das umstrittene Projekt doch durchzuziehen.

"Ich betone, dass der Projektentwickler uns sehr entgegengekommen ist. Er hätte das nicht müssen." - Das versicherte der SPÖ-Abgeordnete Ernst Woller in seiner Rede im heutigen Gemeinderat. Die Wertinvest werde auf den Turm verzichten, dafür jedoch die entfallende Kubatur möglicherweise in anderen Bereichen realisieren. Im Raum steht nun etwa eine Erhöhung des Hotels.

Das Kompromissangebot sehe aber jedenfalls vor, dass die für den Eislaufverein geplante Fläche nicht verkleinert wird, wie der SPÖ-Politiker betonte. Der Vorschlag sei am heutigen Freitag an das Bundeskanzleramt gegangen, mit der Bitte an Weiterleitung an die UNESCO. Woller skizzierte auch die weiteren Schritte: Der Entwickler wird ein neues Projekt ausarbeiten, wofür er jedoch eine "gewisse Zeit" brauche. An die UNESCO bzw. ICOMOS ergehe die Einladung, die Pläne zu prüfen.

In einer Aussendung wurde auf "zahlreiche Gespräche" mit dem Bauwerber verwiesen. Der Turm wird jedenfalls "im Sinne der Empfehlungen" von UNESCO und ICOMOS nicht umgesetzt, hieß es darin. Weiters wird klargestellt: "Für das neue Hotel- und Kongressgebäude, welches das bestehende Gebäude aus den 1960er-Jahren ersetzen soll, wird eine Erhöhung gegenüber dem derzeitigen Gebäude nicht ausgeschlossen." Immerhin sollen die technischen Aufbauten wie Lüftungsanlagen in das Objekt integriert werden, womit eine "harmonische Silhouette der Dachlandschaft" geschaffen werden soll.

Das UNESCO-Welterbezentrum habe sich in einer ersten Reaktion positiv geäußert, wurde in der Aussendung beteuert. Woller hielt aber auch fest, dass bei einer Ablehnung das derzeitige Projekt verwirklicht werden könne. Denn das Bauvorhaben sei laut Angaben der Behörde "bewilligungsfähig", wobei zum jetzigen Zeitpunkt kein rechtsgültiger Bescheid von der Baubehörde ausgestellt werde. Zu klären sei etwa noch, wie mit der allfälligen Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung umzugehen ist. Tatsächlich beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof derzeit mit diesem Thema.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) versicherte via Aussendung, dass der Erhalt des Welterbestatus für das historische Zentrum Wiens "oberste Priorität" habe. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) sprach von einem "wichtigen Schritt", der mit dem Verzicht auf die Realisierung des Turms gelungen sei.