Am Dienstag ist vor einem Wiener Schwurgericht das gewaltsame Ableben eines vermögenden, aus einem alt eingesessenen österreichisch-ungarischen Adelsgeschlecht stammenden betagten Mannes verhandelt worden. Der 89-Jährige wurde am 13. Mai 2019 in seiner Wohnung in Wien-Fünfhaus gewürgt und erschlagen. Die Anklage legte einem engen Bekannten des Mannes Mord aus Habgier zur Last.

Der 41-Jährige stellte das in Abrede. Er habe seinen Wohltäter nicht umgebracht: "Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis. Er war so etwas wie ein Ersatzvater für mich."

Sprungbrett in ein besseres Leben

Staatsanwalt Martin Kampitsch beschrieb eingangs der Verhandlung den Angeklagten als berechnend und auf den eigenen Vorteil bedacht. Der Ungar habe vor einiger Zeit den wohlhabenden Mann kennengelernt und sich mit diesem angefreundet: "Er hat ihn als Sprungbrett in ein besseres Leben gesehen." Der 89-Jährige habe den Ungarn finanziell unterstützt und sogar in seinem Testament bedacht. 20 Prozent des Vermögens hätte der 41-Jährige bekommen sollen. "Das war ihm zu wenig", meinte der Staatsanwalt. Der Angeklagte habe auf die Eigentumswohnung des 89-Jährigen gespitzt. Diese habe ihm der Mann aber nicht vermachen wollen. Der 41-Jährige bekam lediglich ein Vorkaufsrecht eingeräumt.

DNA-Spuren

Deswegen soll es immer wieder zu Auseinandersetzungen und letzten Endes zu einem tödlichen Streit gekommen sein. Der 89-Jährige habe sein Testament nicht ändern wollen. Der Staatsanwalt betonte, dass nur der Angeklagte als Täter infrage komme. Dieser habe sich am folgenden Tag nach Ungarn abgesetzt und seine Wiener Wohnung aufgelöst. Keine andere Person hätte ein Motiv gehabt. An der Wohnungstür des Opfers hätten sich keine Einbruchspuren gefunden, also müsse der 89-Jährige seinen Mörder gekannt und in die Wohnung gelassen haben. Schließlich wären am Pyjama des Toten DNA-Spuren des 41-Jährigen entdeckt worden. "Der Angeklagte war frustriert. Er war enttäuscht. Nichts hat so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hat", hielt der Staatsanwalt fest.

Der Anklagevertreter habe nur "Annahmen, wie es gewesen sein könnte" und keine schlüssigen Beweise zu bieten, konterte Verteidiger Erich Gemeiner. Dieser brachte eine neue Verantwortung - laut Gemeiner "die Wahrheit" - ins Spiel, die der Angeklagte bisher nicht verraten hätte, weil er bis zur Verhandlung gehofft habe, "dass der Täter sich stellen wird". Entsprechendes sei ihm im Gefängnis zugetragen worden.

Einbrecher im Spiel?

Der Darstellung des Angeklagten zufolge soll ein unbekannter Einbrecher den 89-Jährigen am Gewissen haben. Diesen habe die Haushälterin des 89-Jährigen - eine um 56 Jahre jüngere Serbin - organisiert, um sich mit diesem die Wertsachen des alten Mannes unter den Nagel zu reißen. Er selbst habe sich dazu hinreißen lassen, sich als Helfer an dem Einbruch zu beteiligen, räumte der 41-Jährige ein. Er habe nämlich mit der Haushälterin ein sexuelles Verhältnis gehabt.

Der Darstellung des 41-Jährigen zufolge soll die Haushälterin ihm Zweitschlüssel zur Wohnung und eine Skizze mit den bezeichneten Orten, an denen der 89-Jährige Wertgegenstände versteckt hatte, übergeben haben. Damit sei er dann zum Westbahnhof gefahren und habe beides dem Einbrecher - ein schwarz gekleideter Mann mit einer schwarzen Stirnkappe, mutmaßlich Serbe - überlassen und diesen zur Wohnung des 89-Jährigen chauffiert. Während der alte Mann schlief, sei der Unbekannte in die Wohnung gegangen. Doch als dieser die Räumlichkeiten durchsuchte, sei der 89-Jährige aufgewacht und vom Eindringling getötet worden, legte der Angeklagte dar. Er habe das erst am nächsten Tag aus den Medien erfahren.

"Es wäre vollkommen widersinnig gewesen, ihn zu töten", versetzte sich der Verteidiger in die Situation des 41-Jährigen. Mit dem Ableben von Julius U. fielen die monatlichen Unterstützungen weg. Auf die Wohnung sein Mandant nicht scharf gewesen, meinte der Anwalt. Die DNA-Spuren des 41-Jährigen erklärte Gemeiner damit, dass der Mann dem 89-Jährigen bei seinem letzten Besuch zu Lebzeiten des späteren Opfers einen frisch gewaschenen Pyjama hingelegt habe. Abgesehen davon wären an der Kleidung auch die DNA-Merkmale der Haushälterin und eines weiteren Spurenträgers nachgewiesen worden.