Nach einer Häufung von Frauenmorden Anfang in diesem Jahr hat eine Expertengruppe vollendete und versuchte Tötungsdelikte minutiös untersucht. Arbeitslosigkeit sowie eine Trennung rangieren als Risikofaktoren an der Spitze, hieß es bei der Vorstellung des Berichts im Innenministerium. Die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen setzen bei Gefährdungserkennung, Behördenvernetzung und Täterarbeit an.

Motiv- und Ausgangslage im Fokus

Die Experten sollten "die speziellen Merkmale für den Anstieg der Morde feststellen" und mit Fokus auf die Frauenmorde die Motiv- und Ausgangslage untersuchen, erläuterte Innenminister Wolfgang Peschorn. Die Experten wollen der Polizei zur verbesserten Gefährdungserkennung ein methodisches Werkzeug zur Risikoeinschätzung in die Hand geben sowie einen Leitfaden für Vernehmungen nach Gewalt in der Partnerschaft. Bei den Bezirkspolizeikommanden sollen Kompetenzteams eingerichtet werden, sagte BK-Direktor Franz Lang: "Die 28.000 Polizisten draußen brauchen Rückfragemöglichkeiten." 

Bei der Prävention von Gewalttaten rückte zuletzt das Messer als Tatwaffe stark in den Fokus. In 59 Prozent der versuchten und vollendeten Tötungsdelikte, die eine beim Bundeskriminalamt (BK) etablierte Expertengruppe untersucht hat, war eine Stichwaffe das Tatmittel. Die "ständige Verfügbarkeit einer Stichwaffe im öffentlichen Raum" werde thematisiert werden müssen, sagte BK-Direktor Franz Lang.

"Im österreichischen Waffenrecht sind Messer nur bedingt erfasst", erläuterte Lang. "Diesen Komplex müssen wir uns anschauen." Wiewohl bei vielen Frauenmorden - sogenannte Beziehungstaten, die häufig im Wohnbereich verübt werden - zu einem großen Teil Küchenmesser zur Tatwaffe werden, sind bei Taten außerhalb oft Klapp-, Hieb- und Stichmesser im Einsatz.

Man könnte sich "Gedanken machen über das Waffengesetz" und die Definition verbotener Stichwaffen "verschärfen", regte der BK-Chef an. Keine Waffe im Sinne des Gesetze sei etwa das Einhandmesser mit sechs Zentimeter langer Klinge und einhändig schnell zu öffnen, wodurch ein Angreifer die zweite Hand frei habe, um das Opfer zu packen. Generell dokumentiere die Kriminalstatistik bezüglich des Tatmittels Stichwaffe von 2014 bis 2018 bei vollendeten Mordfällen eine zweieinhalbfache und bei versuchten Morden eine dreifache Steigerung, erläuterte Lang.

Die Screening-Gruppe aus Polizisten, Kriminalpsychologen und Experten des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien hat auch die Herkunft von Tatverdächtigen und Opfern dokumentiert. Rund die Hälfte der Morde ist "von Fremden" begangen worden, daher sollen deren "Communities" in die Präventionsarbeit einbezogen werden. "Peers" (Gleichaltrige bzw. sozial Gleichgestellte; Anm.) mit dem gleichen Hintergrund sollen "bei Tätern mit Migrationshintergrund die Täterarbeit bei der Gefährderansprache unterstützen".

"Man muss spezifisch arbeiten"

"Dass allgemeine Prävention für alle gültig ist, das gibt es nicht mehr. Man muss spezifisch arbeiten", betonte Lang. Bei den als Täter ermittelten "Fremden" handelte es sich laut dem Bericht um Menschen ohne Aufenthaltsstatus (16 Prozent), EU-Bürger (13 Prozent), Asylwerber (neun Prozent) und Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte (fünf Prozent). Dem BK-Chef war es zudem ein Anliegen, das Vorurteil auszuräumen, wonach tendenziell "fremdländische Täter inländische Opfer finden - das ist kaum der Fall".

Wichtig für die Prävention sei hingegen: "Viele der Täter haben schon eine kriminalhistorische Geschichte." Hier, und bei der Vernetzung der Behörden, könne man ansetzen. "Über (Risikofaktoren wie; Anm.) Arbeitslosigkeit wissen die Familie, die Nachbarn und das AMS Bescheid, aber nicht die Polizei, beim Sorgerecht ist man in der Zivilgerichtsbarkeit", nannte Lang als Beispiele.

Eine bessere Zusammenarbeit der Behörden sollen eine Ausweitung der Leserechte im PAD (Polizeiprogramm zum Protokollieren von Anzeigen und Berichten) und eine Adaptierung der Gewaltschutzdatei im Hinblick auf die Risikoeinschätzung von Tätern bringen. Zudem wurde eine Evaluierungsstelle für Tötungsdelikte ins Spiel gebracht. Unter der Prämisse "Täterarbeit ist Opferschutz" wird für eine Ausweitung der sogenannten Gefährderansprachen votiert sowie für verpflichtende Anti-Aggressionstrainings nach Betretungsverboten.