Am Landesgericht Korneuburg ist am Dienstag ein Raubmordprozess gegen eine Frau eröffnet worden, die am 22. Jänner 2019 in Ebergassing (Bezirk Bruck an der Leitha) eine 64-jährige Bekannte erschlagen haben soll, um an 11.000 Euro in einem Tresor zu kommen. Die 44-Jährige bekannte sich nicht schuldig.

Die Getötete sei "wie eine Mutter für sie gewesen", erzählte die Beschuldigte dem Schwurgericht (Vorsitzende: Richterin Xenia Krapfenbauer) teilweise unter Tränen. Von den hohen Geldbeträgen in dem Safe habe sie nichts gewusst. Ihr sei nur bekannt gewesen, dass die 64-Jährige einmal pro Monat ihre Pension von der Bank hole.

Prekäre finanzielle Lage

Die zweifache Mutter befand sich laut Staatsanwalt Peter Zimmermann seit Herbst 2018 in einer "äußerst prekären finanziellen Lage", sodass sie nur mehr ein paar Euro auf ihrem Konto hatte. Da sie mit ihrem Lebensgefährten eine Genossenschaftswohnung beziehen wollte und sie ihren Anteil in Höhe von 2.025 Euro dafür nicht mehr aufbringen konnte, verfälschte sie den Erlagschein und überwies in Wahrheit nur die 25 Euro. Dann war ihr Konto praktisch leer. Überziehungsmöglichkeit hatte die Frau keine mehr. Spätestens am 17. Jänner 2019 konnte sie laut Anklagebehörde keine Überweisungen tätigen, die Genossenschaft wollte jedoch ihren Anteil.

Fünf Tage später besuchte sie ihre Bekannte, die ihren Lebensgefährten seit Jugendzeiten kannte, in Ebergassing. Die 64-Jährige hatte des öfteren größere Geldbeträge daheim, was sie auch im Bekanntenkreis immer wieder einmal herumerzählte. Dieses Mal bewahrte sie 11.000 Euro in einem Möbeltresor auf, als die 44-Jährige aus der Nachbarschaft zu Besuch kam.

Brutale Attacke

Im Zuge dessen kam es laut Anklagebehörde zu der brutalen Attacke. Die Beschuldigte soll die 64-Jährige mit einem wuchtigen Schlag gegen das rechte Brustbein zu Boden gestoßen haben. Mit einem Zimmermannshammer schlug sie immer wieder auf das Gesicht und den Kopf des liegenden Opfers ein. 20 Schläge erlitt die 64-Jährige, die letztendlich an einem Schädel-Hirn-Trauma starb. Danach nahm die 44-Jährige laut Staatsanwaltschaft den Möbeltresor mit den 11.000 Euro aus dem Schlafzimmer und flüchtete.

Erst am 25. Jänner wurde die Pensionistin tot in ihrer Wohnung gefunden. Nach zahlreichen Befragungen in der Nachbarschaft und im Freundeskreis geriet zunächst ein Pfleger, dann aber bald die 44-Jährige in Verdacht, da sie ständig ihre Verantwortung änderte, wenn sie mit dem Ermittlungsstand der Polizei konfrontiert wurde. Sie leugnete laut Staatsanwaltschaft zunächst vor der Polizei, in der Wohnung der 64-Jährigen gewesen zu sein, räumte aber dann einen Besuch bei der Frau am 22. Jänner gegen 13.00 Uhr ein.

DNA-Spur

Schließlich wurde ihre laut Staatsanwalt "aussagekräftige" DNA-Spur mehrfach am Tatort entdeckt - darunter am Körper und Bademantel des Opfers sowie an einem Zigarettenstummel in der Toilette und an der Türschnalle der WC-Tür. Am 6. Februar wurde die Frau festgenommen. Der Tresor und die Tatwaffe wurden nie gefunden, sagte der Ankläger in seinem Eröffnungsplädoyer.

Anwalt Wolfgang Blaschitz, der gemeinsam mit Astrid Wagner die Verteidigung übernommen hat, meinte, seine Mandantin hätte ein Alibi und führte ausführlich den Tagesablauf der Angeklagten zur tatrelevanten Zeit aus. So spielte er u.a. eine Nachricht vor, die die 44-Jährige zum Tatzeitpunkt auf die Mobilbox ihres Lebensgefährten gesprochen hatte. Darum ging es um Blumengestecke, die die Floristin machen sollte.

Dass Spuren der Angeklagten in der Wohnung gefunden wurde, sei für den Verteidiger logisch. "Sie war in der Wohnung, aber nicht als Täterin, sondern als Freundin", meinte Blaschitz. Sie hätte ihr an dem Tag nachträglich zum Geburtstag gratuliert. Durch eine Umarmung seien die Spuren an den Körper des Opfers gekommen. "Glauben Sie wirklich, dass ein Täter in der ganzen Wohnung DNA hinterlässt, wenn er einen Raub begehen wird?", fragte der Anwalt in Richtung Geschworene.

Die finanzielle Notlage sei kein Motiv gewesen, so Blaschitz. Denn am Tag nach der Bluttat hätte es einen Termin bei der Genossenschaft gegeben. "Das war für sie äußerst peinlich", meinte der Verteidiger. Denn da habe die 44-Jährige Rede und Antwort stehen müssen, ihren Genossenschaftsanteil habe sie dennoch nicht vorweisen können, obwohl sie ja den Raubmord begangen haben soll.

Der Fall wird an drei Tagen am Gericht verhandelt. Am 22. Oktober soll ein Urteil gefällt werden.

Der Angeklagten droht lebenslange Haft. Die Beschuldigte war am 17. August 2009 am Landesgericht Korneuburg nach einem Überfall auf eine Postfiliale in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) unter anderem wegen schweren Raubes zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, von denen sie etwas mehr als die Hälfte verbüßte. Der Staatsanwalt hat deshalb den Widerruf der im Juli 2015 gewährten bedingten Entlassung beantragt. "Sie ist sehr freundlich, auch hier, aber sie ist zu extremer Gewalt fähig", meinte der Ankläger. Bereits bei dem Raub damals habe sie auf ihr Opfer eingestochen, obwohl sie das Geld bereits hatte. Zimmermann sprach von "grundloser Gewalt".

Mutterrolle übernommen

Die Angeklagte hat das Mordopfer einen Tag nach ihrer Gefängnisentlassung vor zehn Jahren kennengelernt. "Sie hat die Mutterrolle übernommen", sagte die 44-Jährige, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht mit ihrer leiblichen Mutter verstand. Als die Beschuldigte mit dem zweiten Kind schwanger wurde, habe sich die Freundin gekümmert. "Und wie das Kind auf der Welt war, ist sie zur Oma geworden."

Nachdem das Mädchen geboren wurde, hat die Pensionistin regelmäßig Geschenke gemacht. "Sie hat immer gesagt, der Kleinen soll es an nichts fehlen", sagte die Beschuldigte. Die 64-Jährige "war eigentlich meine Familie". Sie sei die einzige Person gewesen, mit der sie über ihre Vorstrafe reden konnte.

Viel Geld zuhause

Dass die Pensionistin so viel Geld daheim hatte, war der 44-Jährigen laut ihren Angaben nicht bekannt. "Das hab' ich nicht gewusst." Einmal hätte ihr die 64-Jährige auf der Straße erzählt, "ich hab' mir einen Safe gekauft". Aber dass da das große Geld drinnen liegt, das wusste sie nicht, meinte die Beschuldigte. Sie habe eher an Dokumente gedacht. "Sehen tut da jeder was", rechtfertigte sie sich, dass ein Abtransport des Tresors gar nicht unbemerkt möglich wäre.

Dann hatte der Lebensgefährte den Wunsch, sich wohnlich zu verbessern. Eine größere Wohnung mit Balkon und Aufzug wurde ausgewählt. Der Genossenschaftsanteil sollte geteilt werden. Mit einer Mitarbeiterin hätte sie Ratenzahlungen ausgemacht, dafür hätte sie noch bis zum Bezug im Herbst Zeit gehabt. "Wäre sich das ausgegangen?", fragte Richterin Xenia Krapfenbauer. "Ja, schon", sagte die Angeklagte und wollte damit das Motiv widerlegen.

Aus Furcht gelogen

Die 44-Jährige beschrieb ihren Tagesablauf am 22. Jänner, auch dass sie einen kurzen Besuch beim späteren Mordopfer gemacht und mit der Frau eine geraucht habe. So sei ihre DNA in die Wohnung gekommen. Auf ihrer Kleidung, die sie am 22. Jänner getragen habe, sowie nach Untersuchung ihres gesamten Kasteninhalts wurden keine Blutspuren gefunden.

Bei der ersten Einvernahme habe sie deshalb aus Furcht gelogen. "Ich hab' eine wahnsinnige Angst gehabt." Als sie vom Tod der 64-Jährigen hörte, habe sie zunächst an einen natürlichen Tod geglaubt. "Dem war nicht so", sagte die 44-Jährige. Als im Ort erzählt wurde, dass die Kriminalpolizei die Leute befragen will, "da hab' ich schon eine Panik gehabt wegen meiner Vorstrafe". Sie meinte zu ihrem Lebensgefährten: "Na, da bin ich eh gleich verdächtig." Die Polizisten hätten sie abgeholt und ihren Angaben zufolge gesagt: "Spiel keine Spielchen. Mit deiner Vorstrafe war's das."

Mit dem Raub vor zehn Jahren hadere sie immer noch. "Bis heute kann ich mir das gar nicht erklären. Ich war in Therapie, weil ich nicht verstanden hab', dass ich einen Menschen verletzt habe", sagte die 44-Jährige. Sie sei "mit einem extremen Schamgefühl durch Ebergassing" gegangen. "Die Leute haben mich gekannt als freundlich und nett. Und dann bist du im Gefängnis. Ich hadere mit dem, was vor zehn Jahren passiert ist", sagte die dreifache (richtig) Mutter. "Das verzeih' ich mir nie."

Auf den Hinweis der Richterin, dass sie schon einmal eine ähnliche Tat begangen habe, meinte die Angeklagte: "Aber wie eng ich jetzt mit meiner Tochter bin und wie ich zu finanziellen Dingen stehe, das kann man mit vor zehn Jahren nicht vergleichen. Ich hab' in der Haft gelernt, mit wenig Geld auszukommen."

Nach einer Mittagspause wird der Prozess mit Zeugeneinvernahmen fortgesetzt.