Bayerns Innenminister Joachim Herrmann tritt dafür ein, die Grenzkontrollen zu Österreich über November hinaus zu verlängern. "Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir leider mit dem Schutz der EU-Außengrenzen noch nicht so weit sind, dass wir auf diese Grenzkontrollen verzichten können", sagte der CSU-Politiker am Sonntag am Rande des Forums Alpbach im Gespräch mit der APA.

Flexiblere Kontrollen

"Mir ist zunächst einmal wichtig, dass wir diese Grenzkontrollen deutlich flexibler gestalten. Daran ist in den letzten Monaten ja schon gearbeitet worden, und nach den mir vorliegenden Berichten sind die Staus jetzt zum Beispiel im Bereich Salzburg und auch hier vor Kufstein deutlich weniger geworden, weil die (deutsche) Bundespolizei mit Unterstützung der bayrischen Polizei das jetzt auch flexibler handhabt", führte Herrmann aus.

Auch als es "die alten Grenzkontrollen" vor 1997 noch gegeben habe, sei ja in bestimmten Situationen "nicht jedes Auto kontrolliert" worden. Herrmann plädierte daher für eine "flexiblere Handhabung, denn wir wollen die Menschen nicht ärgern, wir wollen keine unnötigen Behinderungen schaffen".

Er sei ein "Anhänger des Schengensystems", unterstrich der Minister. "Und wir wollen wieder dazu zurückkommen, aber das setzt voraus, dass an den Außengrenzen ordentlich kontrolliert wird. Das ist leider an manchen EU-Außengrenzen nicht hinreichend der Fall. Nicht von ungefähr haben auch die Franzosen Grenzkontrollen zu Italien, von den Österreichern zu Slowenien gar nicht zu reden."

Dublin-System prüfen

Ziel müsse es sein, insgesamt "das Thema des gesamten Asylrechts, des Dublin-Systems" auf den Prüfstand zu stellen. "Das wird sicherlich ein Thema der neuen Kommissionspräsidentin sein", sagte Herrmann unter Verweis auf die frühere deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Politikerin Ursula von der Leyen.

Auf europäischer Ebene sei ja bereits beschlossen worden, dass es ein Registrierungssystem bei der Ein- und Ausreise geben solle. "Dieses setzt voraus, dass an den Schengen-Außengrenzen jede und jeder bei der Einreise und bei der Ausreise registriert wird. Momentan gibt es an unseren Flughäfen Kontrollen, wo das gewährleistet ist, es gibt aber offensichtlich eine ganze Reihe von Landgrenzen, wo das gegenwärtig nicht gewährleistet wird." Wenn dieses System dann tatsächlich funktioniere, werde es auch keinen Bedarf mehr für Binnengrenzkontrollen geben.

Bekämpfung von Kriminalität

Für Herrmann geht es in der Frage der Grenzkontrollen nicht nur um Aufgriffe illegal eingereister Migranten, wo zuletzt ja ein Rückgang festgestellt wurde: "Die Grenzkontrollen haben auch dazu beigetragen, dass eine Reihe von Schleusern mittlerweile einen Weg um Österreich und um Bayern herum macht", hielt der Minister fest. Es gehe jedoch "nicht nur um die Flüchtlingsfrage, sondern auch um die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität", etwa um die Festnahme von per Haftbefehl gesuchten Straftätern.

Zur Streitfrage Transit hielt Herrmann fest, dass sich Deutschland und speziell Bayern und Österreich wohl einig seien, "dass wir in den nächsten Jahren so viel wie möglich insbesondere des Lkw-Transitverkehrs auf die Bahn verlagern wollen. Da ist es auch ganz wichtig, dass wir auf der deutschen Seite jetzt mit der Planung des Ausbaus der Bahnstrecken wirklich vorankommen. Da ist die Deutsche Bahn zweifellos im Verzug."

Er persönlich freue sich, "dass der Brenner-Basistunnel voll im Zeitplan ist und das vorangeht. Und jetzt muss da von deutscher Seite umgehend nachgezogen werden. In dem Punkt haben wir breite Übereinstimmung, und das ist auch gut so." Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, "dass dieses Thema auch aus meiner Sicht von der Deutschen Bahn verschlafen worden ist".

Willkürliche Blockade

Was ihn irritiere, sei die Blockabfertigung, sagte Herrmann - "mehr als diese anderen Fragen, wer wann wo von der Autobahn runterfahren darf, das erscheint mir eher zweitrangig zu sein. Aber diese Blockabfertigung scheint mir schon eine zum Teil etwas willkürliche Blockade zu sein."

Auch in Bayern seien nicht alle Anrainer der Autobahn immer erfreut über den Verkehr. "Aber wir haben umgekehrt - alle Beteiligten - auch ein großes Interesse daran, dass sich unsere Wirtschaft gut entwickelt. Auch in Tirol werden einerseits Produkte aus anderen Ländern der Welt gebraucht und umgekehrt auch Produkte aus Tirol über deutsche Straßen transportiert. Ich glaube, wir müssen alle begreifen: Wenn wir uns gegenseitig im Transport behindern, tut das der ganzen Zukunft nicht gut." Er hoffe jedenfalls auf eine vernünftige Zusammenarbeit.

Zur Einführung einer Korridormaut zwischen München und Verona - also der Angleichung der Mauttarife im Norden und Süden an jene Österreichs - wollte sich Herrmann nicht im Detail äußern, da diese nicht in seine fachliche Zuständigkeit falle. "Es ist nach dem bisherigen deutschen Recht nach meiner Kenntnis ein bisschen schwierig, für bestimmte Strecken eine höhere Maut als für andere zu verlangen. Aber da sollen sich jetzt einmal die Experten damit beschäftigen."

Keine Prognosen abgeben wollte der CSU-Politiker über den Fortbestand der Regierungskoalition in Berlin. "Die große Herausforderung wird jetzt sein, wie die SPD ihre innerparteilichen Probleme klärt und wie dann die Wahlen und die Entscheidungen auf dem SPD-Bundesparteitag Ende dieses Jahres aussehen werden. In CDU/CSU gibt es niemanden, der diese Bundesregierung infrage stellt. Die Probleme liegen allein bei der SPD." Von Bedeutung dürften nach Einschätzung Herrmanns jedenfalls auch die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg am Sonntag und dann vier Wochen später in Thüringen sein.

Es sei natürlich Sache der SPD, aber die von manchen deutschen Sozialdemokraten vertretene These, dass sich die Partei "jetzt einmal in der Opposition regenerieren" müsse, sei seiner Ansicht nach "fatal", sagte Herrmann. "Ich würde jedenfalls in der Union entschieden davor warnen, sich solche Thesen zu eigen zu machen. Ich kann nur feststellen, die SPD in Bayern regeneriert sich schon seit 50 Jahren in der Opposition und hat sich gerade in den letzten 20 Jahren von der Chance zur Regierungsmehrheit immer weiter entfernt."