Sie schaut gerade fern, als er plötzlich auf das offene Fenster ihrer Grazer Altstadtwohnung zurast – ein bläulicher Ball. Die pensionierte Lehrerin staunt. Doch plötzlich ein Knall und der Ball ist weg. Neben der Frau beschwören noch drei weitere Menschen, dass sie das geheimnisvolle Gebilde an jenem 23. April 1972 gesehen haben.

Sechs Jahre später: Ein Meteorologe des Bundesheeres beobachtet wie auf dem Faaker See ein Blitz einschlägt. Auf einmal erscheint ein helles Etwas, das wie ein Diskus aussieht. Es erleuchtet den ganzen See. Dann springt es über das Wasser und explodiert nach etwa drei Sekunden.

Der erste wissenschaftliche Bericht über Kugelblitze ist 180 Jahre alt – seitdem rätselt die Wissenschaft was das ist. Meistens wird eine Kugel beschrieben, die sekundenlang in der Luft schwebt. Diese Beschreibungen haben mich immer fasziniert“, erzählt Alexander Keul. Den Meteorologen und Umweltpsychologen an der Uni Salzburg lässt das Wetterphänomen seit dem Studium nicht mehr los. Seit 45 Jahren sammelt er Berichte, wertet Fotos und Videos aus und redet mit Augenzeugen. Mehr als 500 Sichtungen wurden ihm über die Jahrzehnte schon gemeldet: „In einem Drittel aller Fälle kommt der Kugelblitz auf Besuch in die Wohnung. Da brauchst du dann natürlich gute Nerven. Aber gerade die Österreicher sind keine Angsthasen, sondern meistens neugierig, was das war.“

Kugelblitzforscher Alexander Keul
Kugelblitzforscher Alexander Keul © Privat

Für ein neues Projekt zum Kugelblitz arbeitet Keul nun mit mehreren Forschern zusammen. Denn neugierig ist auch die Wissenschaft: Laut einem technischen Memorandum der 30 führenden Blitzforschern Europas, gilt der Kugelblitz immer noch als ungelöstes Phänomen. Theorien zu seiner Entstehung gibt es jede Menge. Die meisten sprechen von einer elektrischen Entladung, andere sehen die Ursache in elektromagnetischen Wellen und manche vermuten einfach eine optische Täuschung. „Jeder Forscher hat da seine eigene Theorie. Aber es ist ja nicht einmal sicher, ob es nicht sogar unterschiedliche Arten von Kugelblitzen gibt.“

Leuchtende Kugel als Gefahr?

Unsicher ist auch, wie gefährlich die leuchtende Kugel ist: „In Österreich sind mir keine Verletzten bekannt. Wie bei allen Blitzen muss man aber vorsichtig sein; angreifen sollte man die Kugel auf keinen Fall“, sagt Keul. In all den Jahrzehnten, in denen er dem Kugelblitz hinterherjagt, ist der Salzburger Universitätsprofessor Professor selbst jedoch noch nie einem begegnet: „Man muss ja nicht alles haben auf der Welt – aber wer einen Kugelblitz sieht, kann sich wirklich glücklich schätzen. Für die meisten Augenzeugen ist das wie Ostern und Weihnachten zusammen.“