"Das Phantombild ist immer nur ein Hinweis, es geht um die Ermittlungen“, gibt sich Walter Schwarzinger bescheiden. Der 46-Jährige arbeitet seit 2009 als Phantombildzeichner bei der Wiener Kriminalpolizei. „Aus Interesse“, betont Schwarzinger, denn es ist eine zusätzliche Aufgabe, die er neben seiner Tätigkeit bei der sogenannten Tatort-Gruppe als Spurensicherer ausführt. Zwei bis drei Bilder werden von ihm pro Monat in Wien angefertigt. Klingt wenig. Ist es für eine Millionenstadt auch. In Zeiten von Videoüberwachung und DNA-Analysen sind Phantombilder in den Hintergrund gerückt. Wenn dann allerdings doch eines angefertigt wird, dann, weil es keine brauchbaren Spuren und andere Hinweise gibt, und die Ermittler „am Ende angelangt“ sind.

Zeugen oder auch die Opfer selbst, spielen in solchen Fällen eine ganz wesentliche Rolle. „Viele erinnern sich an die Statur oder das Gehabe oder andere Einzelheiten. „Für uns ist es aber ausschlaggebend, dass sie das Gesicht des Täters frontal gesehen haben“, erklärt der Kriminalist. Das Vorgehen selbst ist dabei nicht überall gleich. „Wir warten für gewöhnlich ein bis drei Tage bis ein Phantombild angefertigt wird“, erklärt Schwarzinger. Zeugen oder Opfer sollten sich nicht mehr in einer akuten Schocksituation befinden. „Man muss drüber schlafen und dann gefasst an das Ganze heran gehen.“ Der emotionale Zustand wird bereits vor der Sitzung, die nicht länger als zwei Stunden dauert, in Gesprächen abgeklärt. Wenn nötig, macht Schwarzinger auch Hausbesuche.

Schwarzinger bei der Arbeit
Schwarzinger bei der Arbeit © Polizei

Gezeichnet wird mit dem Computer

„Gezeichnet“ wird heutzutage ausschließlich mit einem Computerprogramm, das Zigtausende vorgefertigte Schablonen für Haaransätze, Nasen, Ohren, Augen, etc. abgespeichert hat. Im ersten Schritt werden Geschlecht, Altersgruppe und ethnischer Typ bestimmt, woraufhin das Programm sechs Gesichter vorschlägt. „Es ist viel leichter ein Bild, das schon da ist, zu verändern, als etwas aus dem Nichts zu beschreiben“. Danach werden die einzelnen Merkmale in mühsamer Kleinarbeit mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl per Mausklick abgeändert. Hin und wieder werden auch Ähnlichkeiten mit Berühmtheiten herangezogen. In Deutschland machte im Vorjahr ein Phantombild, das Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage zum Verwechseln ähnlich sah, von sich reden. „So etwas kann passieren, wenn die Zeugen auf Ähnlichkeiten hinweisen und dann ein Bild des Besagten als Vorlage verwendet wird“, erklärt Schwarzinger. Im Idealfall erscheint nach der Bearbeitung das Gesicht desjenigen, der gesucht wird.

Es kommt auf den Typ an

Das glückt nicht immer. „Wichtig ist das Zusammenspiel zwischen Zeugen und Zeichner“, weiß der Wiener zu berichten. Ob erstere Männer oder Frauen sind, sei dabei einerlei. „Es kommt nicht auf das Geschlecht an, sondern auf den Typ Mensch.“ Eine Hofer-Angestellte, die einmal überfallen wurde, konnte den Täter beispielsweise so detailliert beschreiben, dass das Bild innerhalb von 20 Minuten fertig erstellt war. Vier Tage später wurde der Mann gefasst und verhaftet. So etwas sei auch für den Profi „faszinierend“.

„Phantombilder“ begleiten Schwarzinger auch in seinem Privatleben. “Wenn ich irgendwo entspannt sitze und Leute beobachte, dann denke ich mir schon, der wäre leicht zu zeichnen oder der andere schwer“. Im Kopf geht er dann mögliche Schablonen durch, die der Computer in petto hat. Schließlich möchte er ja in Übung bleiben. Nur rund 50 Prozent der Phantombilder werden übrigens auch veröffentlicht, als „letzter Strohhalm“ sozusagen. Der Rest wird nur polizeiintern für Fahndungen verwendet.

Folgendes Video zeigt die Arbeit eines Phantombildzeichners: