Im Wiener Neustädter Mordprozess sind am Dienstag bisher die Stalkingvorwürfe gegen den Angeklagten im Zentrum gestanden. Der Mann soll nicht nur seine 50-jährige frühere Partnerin, die er im Jänner erstochen haben soll, sondern auch eine andere Ex verfolgt und ihr beleidigende Nachrichten geschrieben haben. Die Mutter sagte als Zeugin aus, ihre Tochter habe "riesige Angst" vor dem Mann gehabt.

"Sie war fertig mit den Nerven", erzählte die 59-Jährige über das Stalking-Opfer, das zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit kontradiktorisch befragt wurde. Die Frau war laut ihrem Arbeitgeber "gebrochen" und "komplett am Boden": "Sie hat sich nicht alleine heimgehen getraut." Das Opfer schaltete die Polizei ein, die Folge war den Angaben zufolge eine Wegweisung. Der Angeklagte war bereits vor Monaten ebenfalls in Wiener Neustadt wegen beharrlicher Verfolgung seiner Ex-Lebensgefährtin verurteilt worden, das Stalking soll danach aber den Aussagen zufolge weitergegangen sein.

Auch der Mutter, der Schwester und dem Dienstgeber der Frau soll der Beschuldigte Nachrichten, Fotos, Videos sowie Beschimpfungen via Handy und Facebook geschickt und Postings auf der Website ihres Arbeitgebers hinterlassen haben. 

Im Prozess sind die Geschworenen am Dienstagnachmittag in Beratung gegangen. Die Staatsanwältin forderte im Schlussvortrag Schuldsprüche in allen Anklagepunkten und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Der Verteidiger verwies auf die herabgesetzte Schuldfähigkeit seines Mandanten.

Die Geschworenen haben Hauptfragen nach Mord, beharrlicher Verfolgung, gefährlicher Drohung, versuchter schwerer Nötigung und fortgesetzter Belästigung im Wege eines Computersystems (Cyber-Mobbing) zu beantworten. Zur Tötung hob die Staatsanwältin im Schlussvortrag hervor: "Der Tathergang ist aufgrund der erschütternden Videoaufzeichnung klar." Der Beschuldigte habe mehr als eine Stunde lang gewartet, bis seine Ex-Partnerin nach Hause kam, und sie sofort beim Garagentor "überfallen" und mit dem Messer attackiert. "Wir haben die durchdringenden Todesschreie des Opfers gehört", betonte die Staatsanwältin. Der Beschuldigte habe erst von der Frau abgelassen, als sie zu Boden ging. Er habe ein "heimtückisches und geplantes Vorgehen" an den Tag gelegt.

In Bezug auf die übrigen Vorwürfe erinnerte die Staatsanwältin u.a. an die Zeugenaussagen und die zahlreichen sichergestellten Nachrichten. Die Privatbeteiligten-Vertreterin beantragte eine finanzielle Unterstützung für Angehörige der Verstorbenen, um eine gute Therapie zu ermöglichen, sowie ein Schmerzengeld für eine Ex-Partnerin, die der Angeklagte gestalkt haben soll.

Die Abwärtsentwicklung des 43-Jährigen habe 2010 begonnen, sagte Verteidiger Wolfgang Blaschitz. Letztlich sei die Gesamtsituation - ohne Partnerin, Arbeit, Strom und Wärmeversorgung - "unerträglich" für den Angeklagten gewesen, die für 10. Jänner anberaumte Gerichtsverhandlung "hat das Fass zum Überlaufen gebracht". Die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten sei aufgrund der Persönlichkeitsstörung herabgesetzt gewesen. Der Verteidiger verwies auf das Geständnis seines Mandanten zum Mordvorwurf. In Bezug auf die anderen Anklagepunkte forderte er Freisprüche. Cyber-Mobbing liegt nach Ansicht der Verteidigung nicht vor, da die Nachrichten nicht öffentlich einsehbar gewesen seien. In Bezug auf gefährliche Drohung und versuchte schwere Nötigung erklärte der Rechtsanwalt, dass der Angeklagte die Video-Sequenzen ohne Kommentar geschickt habe.