Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer bereitet nach eigenen Worten eine Klage gegen die Republik Österreich wegen der von Tirol verhängten Beschränkungen im Transitverkehr vor. Die Klage werde sich sowohl gegen die Lkw-Blockabfertigung als auch die jüngsten Fahrverbote auf Tiroler Straßen abseits der Autobahnen richten, sagte Scheuer vor einer CSU-Vorstandssitzung am Montag in München.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder unterstützt nach eigenen Worten das juristische Vorgehen. Gleichzeitig wolle man aber auch mit der österreichischen Seite die Gespräche fortsetzen. Das Verhalten Tirols sei wenig nachbarschaftlich, sagte Söder. Ähnliche Maßnahmen wie in Tirol schloss der bayerische Ministerpräsident für den Freistaat aus. Das wäre "albern", meinte Söder.

Experte Obwexer: Klage "gelassen entgegensehen"

Österreich kann einer mögliche Klage Deutschlands wegen der von Tirol verhängten Fahrverbote im Kampf gegen den Transitverkehr "relativ gelassen entgegensehen", meinte Walter Obwexer, Europarechtsexperte der Universität Innsbruck, am Montag im Gespräch mit der APA. "Die Fahrverbote müssten unionsrechtlich halten", sagte er.

"Die Fahrverbote betreffen Straßen, die für Zu- und Abfahrten zu den Ortschaften geplant wurden, die aber für den Ausweichverkehr nie ausgelegt wurden", sagte der Europarechtsexperte. Durch die modernen Navigationssysteme werde bei Stau auf der Autobahn der Urlauberverkehr aber über das niederrangige Straßennetz umgeleitet, weshalb dann in den Ortschaften der gesamte Verkehr zum Erliegen komme. "Dadurch ist dann sowohl die Verkehrssicherheit, als auch die Funktionsfähigkeit gefährdet", erklärte Obwexer den rechtlichen Hintergrund, denn beides müsse erhalten bleiben.

In- und Ausländer gleichermaßen betroffen

Außerdem betreffen die Fahrverbote In- und Ausländer gleichermaßen. Eine "mittelbare Diskriminierung" von EU-Bürgern sah Obwexer aber dennoch, da der Anrainerverkehr erlaubt bleibt und die meisten Anrainer Inländer sind. Eine "mittelbare Diskriminierung" dürfe es aber geben, wenn sie gerechtfertigt und wenn die Regelung verhältnismäßig sei. Und beides sei in diesem Fall gegeben, fügte der Europarechtsexperte hinzu.

Einerseits sei die Regelung verhältnismäßig, da sie nur an den Wochenenden im Sommer greife, also nur dann, wenn es tatsächlich notwendig sei. "Und andererseits macht Tirol das ja nicht willkürlich", betonte Obwexer. Die Verkehrsbelastung in den Dörfern sei durch Daten belegt. Die Blockabfertigungen bei Kufstein seien übrigens durch denselben rechtlichen Hintergrund gedeckt, fügte der Europarechtsexperte hinzu.

Bevor Deutschland aber überhaupt eine Klage einbringen könne, müsse es zuerst die Europäische Kommission auffordern, dies zu tun. Diese habe dann drei Monate Zeit zu prüfen. Sollte sie in dieser Zeit keine Klage einbringen, könne Deutschland dies erst dann selbst tun, erklärte der Universitätsprofessor.

LH Platter sieht Maßnahmen EU-rechtlich gedeckt

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sieht einer möglichen Klage weiterhin gelassen entgegen. "Unsere Maßnahmen sind zu 100 Prozent EU-rechtlich gedeckt", erklärte Platter am Montag.

"Wenn Bayern eine Klage gegen unsere Fahrverbote auf ausgewählten Landesstraßen sowie gegen die Lkw-Blockabfertigung für sinnvoll erachtet, sollen sie das machen", meinte der Landeshauptmann. Klüger wäre es aber, endlich an Maßnahmen für die Bevölkerung und nicht an Klagen zu arbeiten. "Wir haben diese Maßnahmen nicht aus Jux und Tollerei verhängt, es sind vielmehr Notmaßnahmen, um die Verkehrs-und Versorgungssicherheit in unserem Land zu gewährleisten", sagte Platter. Er schlug vor, sich nun gemeinsam an einen Tisch zu setzen und Lösungen für "die verkehrsgeplagte Bevölkerung in Tirol und Bayern" zu finden.

Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) nimmt "die angedrohte Klage zur Kenntnis". "Wenngleich ich sie nicht nachvollziehen kann", so Felipe. Die Aufregung in den politischen Büros scheine größer zu sein, als jene auf den Tiroler Straßen. Einer möglichen Klima-Maut, wie sie CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zuletzt ins Gespräch gebracht hatte, stand Felipe aber positiv gegenüber. "Seit Jahren fordern wir die Einführung des Verursacherprinzips und damit die Kostenwahrheit auf Österreichs Straßen." Sie sei jederzeit bereit, mit den Bayern darüber und auch über eine Korridormaut zu sprechen.

Die bayrische Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) hatte in der Montagsausgabe des "Münchner Merkur" ein ähnliches Fahrverbot wie in Tirol für oberbayrische Landesstraßen während der Skisaison vorgeschlagen. "Wir sollten das Gleiche auf bayrischer Seite während der Skisaison machen. Da wollen nämlich alle nach Österreich und fahren durch unsere Dörfer", sagte Ludwig. Söder hatte dem jedoch umgehend eine Absage erteilt. Bayern werde keine Fahrverbote für Autobahn-Umfahrungen in die Wege leiten. Diese hätten "keine Wirkung" und wären "albern", so Söder.

"So wie es unser Recht ist, Notmaßnahmen zu setzen, um die Tirolerinnen und Tiroler zu schützen und die Verkehrs- und Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten, ist es natürlich auch das Recht Bayerns, dasselbe zu tun", kommentierte Platter Ludwigs Vorstoß. Entscheidend sei, dass man so wie Tirol belegen könne, dass diese Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Verkehrs- und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. "Wenn das der Fall ist, ist es das gute Recht Bayerns, auch Fahrverbote auf Landesstraßen zu verordnen", fügte Platter hinzu.

Verkehrsminister zeigt Verständnis für Tirol

Verkehrsminister Andreas Reichhardt hat am Montag Verständnis für das unter der Verkehrsbelastung leidende Bundesland Tirol gezeigt, in dem jüngst Beschränkungen im Transitverkehr verhängt wurden. "Grundsätzlich habe ich Verständnis für die Tiroler Bevölkerung, die unter dieser enormen Verkehrsbelastung leidet", so Reichardt in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

"Dementsprechend gehe ich davon aus, dass das Land Tirol europarechtlich abgesichert agiert hat", sagte Reichhardt in Hinblick auf die Ankündigung einer Klage aus dem Nachbarland. Dabei handelt es sich um eine Länderangelegenheit, bei dem das Verkehrsministerium (BMVIT) keine Befugnis hat.