Ein 20-Jähriger ist am Donnerstag wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der junge Mann soll seinen knapp vier Monate alten Sohn Ende Oktober 2018 in Neunkirchen geschüttelt haben, der Säugling starb rund zwei Wochen später im Spital an den Folgen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung gaben keine Erklärung ab, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Sämtliche vom Angeklagten geschilderten Varianten konnten vom Schöffensenat ausgeschlossen werden, sagte der Richter. Es bleibe das Schütteln als Ursache für die Blessuren, die zum Tod des Babys geführt haben. Der Beschuldigte wisse, dass Schütteln Verletzungen verursacht, und habe es trotzdem getan.

Erschwerend waren bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Begehung während offener Probezeiten und die Tat zum Nachteil eines wehr- und hilflosen, schutzbedürftigen Minderjährigen. Mildernd wirkte sich der Tod einer nahestehenden Person aus. Zudem muss der Angeklagte der Kindsmutter 2.000 Euro zahlen, mit dem Rest der Ansprüche wurde die Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Vom Widerruf der offenen Probezeiten wurde abgesehen.

Fatales Schädel-Hirn-Trauma

Das Baby hatte in der Nacht auf den 30. Oktober des Vorjahres zum ersten Mal alleine bei seinem Vater in dessen Wohnung geschlafen. Die Mutter des Babys soll den 20-Jährigen dazu gedrängt haben, weil sie einmal eine Nacht durchschlafen wollte, sagte die Staatsanwältin. Der Beschuldigte soll seinen Sohn laut Anklage mit beiden Armen vor sich in die Luft gehalten und mehrfach schnell vor und zurück bewegt haben. Das Opfer erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit Blutung in die Schädelhöhle und Blutungen im Gehirn mit wässriger Hirnschwellung.

Das Baby wurde ins Krankenhaus gebracht. Trotz intensivmedizinischer Behandlung starb der Bub am 14. November an den Folgen einer Atem- und Hirnlähmung. Eine Obduktion ergab Hinweise auf Fremdverschulden. Der teilweise einschlägig vorbestrafte Vater - er ist österreichischer Staatsbürger - wurde in Folge festgenommen und in die Justizanstalt Wiener Neustadt eingeliefert, er befindet sich seither in U-Haft.

Der Angeklagte sei im strafrechtlichen Sinne "massiv einschlägig vorbelastet", betonte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag. Er wollte demnach zuerst, dass die Mutter abtreibt, habe sich aber nach der Geburt darum bemüht, sich um das Kind zu kümmern. Er sei anfangs zwar nur für wenige Minuten, aber doch immer wieder mit dem Baby alleine gewesen und sei später auch mit dem Buben spazieren gegangen. Der junge Mann hat laut Staatsanwältin "massive Aggressionsprobleme" gehabt, er soll mit der Vaterrolle "überfordert" gewesen sein, Gegenstände und Möbel durch die Wohnung geschleudert und sich selbst in den Oberschenkel geschnitten haben.

Zudem soll der Beschuldigte den gemeinsamen Sohn laut der Mutter zu grob angefasst und insbesondere den Kopf nicht genug gestützt haben. Weiters will sie Verletzungen wie Hämatome am Körper des Säuglings entdeckt und Fotos davon gemacht haben. Der 20-Jährige soll ihren Angaben zufolge unmittelbar nach dem Eintreffen in ihrer Wohnung hysterisch gebrüllt haben, dass er in den "Häfn" gehe. Bisher hat der Beschuldigte laut Staatsanwältin "widersprüchliche Varianten von Geschichten" präsentiert.

Sowohl der Angeklagte als auch die Mutter "sind selbst noch Kinder", sagte Verteidiger Wolfgang Blaschitz. Die beiden stammen aus "vollkommen desaströsen Verhältnissen" und haben sich in einer betreuten Einrichtung befunden, meinte er. Der junge Mann habe sich mit seiner Rolle angefreundet und sei im Rahmen seiner Möglichkeiten "ein entsprechend liebevoller und fürsorglicher Kindesvater" gewesen, sagte der Rechtsanwalt. Sein Mandant wollte dem Baby ein Fläschchen gegeben, das habe aber nicht funktioniert.

"Geschüttelt, um es aufzuwecken"

Weil vereinbart gewesen sei, dass er bei Problemen die Kindesmutter aufsuchen kann, habe er sich auf den Weg zu ihr gemacht. Dabei habe er bemerkt, "dass die Körperspannung des Babys nachlässt und ist in Panik verfallen". Der Beschuldigte habe das Kind "geschüttelt, um es aufzuwecken". Einen Vorsatz, den Säugling zu verletzen, habe der junge Mann "nicht einmal ansatzweise gehabt". "Gestraft ist er genug, er hat als junger Vater seinen Sohn verloren", meinte der Verteidiger. Sein Mandant gebe sich moralisch die Schuld, aber "Moral und Recht sind zwei verschiedene Dinge", sagte Blaschitz.

Mutter hatte "ungutes Gefühl"

Die Mutter des verstorbenen Babys berichtete in ihrer kontradiktorischen Einvernahme von Aggressionsproblemen des Angeklagten. "Er war immer sehr leicht zu reizen", sagte die junge Frau im Video, das im Prozess in Wiener Neustadt gezeigt wurde. Die Staatsanwältin forderte eine strenge Strafe, der Verteidiger ersuchte um einen Freispruch oder eine Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts.

Der Beschuldigte war nach Angaben der Zeugin mehrere Male mit dem Kleinen alleine unterwegs, dabei hatte sie "ein ungutes Gefühl". Zum Umgang mit dem Sohn meinte sie: "Ich habe gesehen, dass er ihn nicht immer gescheit gehalten hat und nicht immer vorsichtig mit ihm umgegangen ist." Die Mutter hatte blaue Flecken am Körper das Babys - im September 2018 am Hals und danach am Unterschenkel, an der Achsel und am Kinn - bemerkt und fotografiert, weil sie am 30. Oktober zum Arzt gehen wollte. Die junge Frau hatte den 20-Jährigen jedes Mal zur Rede gestellt. Dabei habe der Angeklagte einmal gemeint, das sei vom Schnuller, ein anderes Mal soll er "Flugzeug" mit dem Baby gespielt haben.

Die Mutter hatte den 20-Jährigen am 29. Oktober 2018 dazu gedrängt, das gemeinsame Kind mitzunehmen. Am 30. Oktober in der Früh habe er Sturm geläutet und sei mit dem Baby in einer Hand die Stiegen hinaufgelaufen. "Er hat geschrien, er geht in den Häfn", sagte die Frau. Ihr Sohn "war komplett blau", "er hat sich nicht bewegt und nicht mehr geatmet", schilderte sie unter Tränen.

Bei Transport schon im Koma

Der Säugling wurde laut Gutachter Wolfgang Denk in einem "tief komatösen Zustand" ins Krankenhaus transportiert. Der Bub erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit Blutung in die Schädelhöhle und ins Gehirn, das zu einer Atem-Hirn-Lähmung führte. Dabei handle es sich um Verletzungen, die durch Vor- und Zurückbewegen eines Babys mit den Händen entstehen, aber nicht durch eine Herzmassage im Zuge einer Reanimation. "Ein Schütteln eines wenige Monate alten Kindes ist jedenfalls eine potenziell lebensgefährliche Handlung", betonte der gerichtsmedizinische Sachverständige. Ein plötzlicher Kindstod sei im gegenständlichen Fall "im höchsten Grade unwahrscheinlich". "Der Zustand des Kindes war von Anfang an als aussichtslos zu beurteilen", führte Denk aus. Das Anfang Juli 2018 geborene Baby starb am 14. November.

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