Mehr als eine halbe Million Menschen verlieren pro Jahr weltweit ihr Leben zu Fuß im Straßenverkehr. Demnach stirbt im Schnitt jede Minute irgendwo auf der Welt ein Fußgänger. In Österreich verunglückten allein 2018 fast 4.000 Fußgänger, davon 47 Personen tödlich. Besondere Gefahr besteht für Senioren, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien.

Vorgestellt wurde dabei eine Verkehrssicherheitsstudie des Allianz Zentrums für Technik. Demnach ist die Hälfte aller Fußgänger, die im Verkehr zu Schaden kommen, über 65 Jahre alt. Die Risiken erhöhen sich bei Dämmerung und in der Nacht, speziell in den lichtschwachen Wintermonaten. Eine erhebliche Rolle spielt bei Fußgängern Ablenkung, vor allem durch das Smartphone: "Ablenkung birgt zu Fuß ein nachweisbares Risiko. Als 'Smombie' ist man durch den ständigen Blick auf das Smartphone im Straßenverkehr besonders gefährdet", sagte Allianz-Vorstandsmitglied Xaver Wölfl.

Seltener zu Fuß, aber mehr Unfälle

Österreicher gehen laut der Allianz seltener zu Fuß als die Deutschen oder Schweizer, dennoch verunglücken in Relation zur Einwohnerzahl mehr Fußgänger als in den beiden Nachbarländern. Insgesamt ist die Zahl der Verkehrstoten seit Jahren rückläufig, der Anteil der getöteten Fußgänger an der Gesamtzahl der Verkehrstoten blieb allerdings annähernd gleich. Zudem kam es zu einer Verlagerung des Unfallgeschehens auf das Zweirad. Neue Mobilitätsarten wie etwa E-Scooter oder Elektrofahrräder werden immer beliebter.

Besonders gefährdet sind Fußgänger innerorts: 67 Prozent der Unfälle, bei denen Fußgänger tödliche Verletzungen erleiden, passieren hierzulande im Orts- oder Stadtgebiet. Der Großteil der tödlichen Unfälle ereignet sich bei Dämmerung oder in der Nacht. "Gerade nächtliches Fahren verleitet zu weniger Aufmerksamkeit am Steuer. Alkohol, Müdigkeit, Regelverstöße sind nachts deutlich häufiger und bedeuten mehr Gefahr für Fußgänger", betonte Studienautor Jörg Kubitzki, Verkehrssicherheitsforscher im Allianz Zentrum für Technik. Fußgängerunfälle treten außerdem in der dunkleren Jahreszeit öfter auf, also in den Monaten Oktober bis März.

Gefährliche Parkzonen

Zudem werden zahlreiche Gefahren unterschätzt. Laut Allianz ereignet sich jeder sechste Fußgängerunfall in einer Parkzone, fast ein Viertel der Unfälle wird durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeuge beim Anfahren oder Rangieren verursacht. Schließlich korreliert auch die Smartphone-Nutzung der Fußgänger mit dem Unfallgeschehen: Wie die Studie zeigt, schreiben oder tippen 43 Prozent der Befragten zumindest hin und wieder beim Gehen. Fast jeder Zweite nutzt das Handy, um zu fotografieren. Rund ein Viertel hört Musik, und zwei Drittel telefonieren beim Gehen.

"Die Nutzung elektronischer Geräte erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen Fußgänger, einen Unfall zu erleiden", erklärte Kubitzki. Speziell beim Musikhören steige das Risiko um mehr als das Vierfache, beim Texten um das Doppelte. Wie beim Autofahren sei auch bei Fußgängern das Telefonieren die häufigste Ablenkung, spiele aber beim Gehen eine geringere Rolle für das Unfallgeschehen. "Im Gegensatz zu Autofahrern entscheiden Fußgänger in der Regel selbst, wann sie sich in eine konfliktträchtige Verkehrssituation begeben, beispielsweise beim Überqueren einer Straße, und dürften demnach besser in der Lage sein, das Telefonieren auf die jeweilige Situation abzustellen", sagte der Studienautor.

Stiefkinder des Straßenverkehrs

"Fußgänger sind die Stiefkinder des Straßenverkehrs. Es gibt kaum Fußverkehrspläne, Tagungen oder Unfallstatistiken zur Fußgängersicherheit", betonte Kubitzki. Eine Aktualisierung der Fußgänger-Charta der EU aus den 1980er-Jahren wäre dem Studienautor zufolge wünschenswert. Fahrzeugtechnisch sollte die Fußgängererkennung mittels Sensorik und automatisches Notbremsen rascher vorangetrieben, ablenkende Technik beim Anfahren unterdrückt und die Wahrnehmungssicherheit (Sicht nach hinten) verbessert werden. Im Bereich Infrastruktur plädierten Kubitzki und sein Co-Autor Wolfgang Fastenmeier unter anderem für mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen in potenziellen Risikozonen, verbesserte Schutzzonen oder längere Grünphasen bei Ampeln.