Darauf machte Christian Grafl vom Institut für Strafrecht und Kriminalität der Universität Wien vor Journalisten aufmerksam. Interessant daran ist, dass dies dem Forscher zufolge in erster Linie auf zwei Delikte zurückzuführen ist: gefährliche Drohung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

"Wer jemandem sagt: 'I stich di oh', wird in eine Anstalt eingewiesen", konstatierte Grafl bei einem Workshop im Presseclub Concordia. Das seien Einweisungen ohne zeitliche Beschränkung. "Psychiater trauen sich nicht mehr zu sagen, dass ein Eingewiesener nicht mehr gefährlich ist", sagte der Kriminologe.

Als eine mögliche Ursache dafür sah Grafl den Fall am Brunnenmarkt. Im Mai 2016 hatte ein psychisch kranker, vorbestrafter und von der Justiz zur Aufenthaltsermittlung ausgeschriebener Täter am Wiener Brunnenmarkt eine 54-jährige Frau auf dem Weg zu ihrer Arbeit mit einer Eisenstange erschlagen. Psychiater fürchten Grafl zufolge nun, dass von ihnen womöglich als unbedenklich eingeschätzte und daher aus dem Maßnahmenvollzug entlassene Täter ein ähnlich schreckliches Verbrechen verüben könnten.

Der Kriminologe Wolfgang Gratz ortete in dem Brunnenmarkt-Fall ein "behördliches Multiorganversagen", das der Tat vorausgegangen sei. Die Reaktion auf mangelnde behördliche Professionalität sei verstärkte Repression, was sich eben in den gestiegenen Zahlen bei Einweisungen zeige.

Interessante Entwicklungen der Kriminalstatistiken

Grafl wies auf einige interessante Entwicklungen der Kriminalstatistiken hin. So ist die Zahl der Anzeigen seit 1975 bis 2017 gestiegen - um 79 Prozent gegenüber einem Bevölkerungszuwachs um 54 Prozent im selben Zeitraum. Allerdings ist die Zahl der Schwerverbrechen, also Delikte, die mit einem Strafmaß von mehr als drei Jahren bedroht sind, um rund die Hälfte gesunken. "Zu sagen, die Schwerkriminalität ist stark zurückgegangen, ist ein Blödsinn", sagte Grafl dazu. Das habe mit einem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 zu tun, demzufolge bestimmte Formen von Einbrechen keine Verbrechen, sondern nur mehr Vergehen sind - das Aufbrechen von Zeitungskassen zum Beispiel.

Umgekehrt ist die Zahl der Verurteilungen in dem Zeitraum um etwa 63 Prozent zurückgegangen. Das hat mit der Einführung der Diversion zu tun. Grafl zufolge gibt es heutzutage mehr erfolgreich abgewickelte Diversionen als Verurteilungen. Die Zahl der Tatverdächtigen ist hingegen gestiegen.

Die Reaktionsquote, wie es der Kriminologe nannte, also das Verhältnis von Verurteilungen und Diversionen zu Anzeigen, liegt bei etwa 25 Prozent, ist aber nach Deliktsbereichen sehr verschieden. Bei Sexualdelikten gibt es beispielsweise eine ziemlich hohe Quote.

Wer allerdings wirklich verurteilt wird, hat tendenziell eine härtere Bestrafung als früher zu erwarten. "Es gibt eine Verschiebung von Geld- zu Freiheitsstrafen, von bedingten zu unbedingten Geldstrafen und von bedingten zu teilbedingten Freiheitsstrafen", konstatierte Grafl.

Bei den Strafarten gibt es regional große Unterschiede. So kommt im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck die Wiener Hauptsanktionsart der bedingten Freiheitsstrafe kaum vor. Wenn die Sanktion dort eine Freiheitsstrafe ist, ist es auch meist eine unbedingte. Umgekehrt wird die Innsbrucker Hauptstrafart der Geldstrafe im Bereich der OLG Wien und Graz vergleichsweise selten verhängt. Delikte gegen Leib und Leben werden übrigens zu 40 Prozent mit Freiheitsstrafen sanktioniert, Sexualdelikte gar zu 70 Prozent.