"Diese Befragung ist keine Abstimmung und auch kein Referendum. Aber bevor wir die nächsten Schritte beschließen, wollen wir so viele Meinungen wie möglich einholen", stellt Violeta Bulc, EU-Kommissarin für Verkehr, klar. Noch bis 16. August können 500 Millionen Bürger Europas einen Online-Fragebogen zu einem zumindest zweimal pro Jahr gewisse Reizzustände auslösenden Thema ausfüllen: Sommerzeit auf dem Prüfstand oder schon am Abstellgleis? Wollen die Europäer noch an ihren Uhren drehen? Oder bleibt es, wie es ist?

Zwei Möglichkeiten

Nach Auslaufen der Befragung gibt es zwei Optionen: Entweder bleibt das gegenwärtige Sommerzeit-System, dessen Geschichte oft bis zum Ersten oder Zweiten Weltkrieg bzw. bis zur Ölpreiskrise in den 1970er-Jahren zurückreicht, unverändert. Oder das zweimalige Umstellen wird abgeschafft, und zwar für die gesamte Europäische Union.

Wird die entsprechende EU-Richtlinie geändert, muss dies von den EU-Staaten sowie vom Europaparlament beschlossen werden. "Sollten wir die Zeitumstellung abschaffen, könnte Österreich frei entscheiden, ob es dauerhaft Sommer- oder Winterzeit beibehalten will", gibt Bulc einen Ausblick auf das Prozedere, sollte die bisherige Regelung fallen. Das Interesse an der aktuellen Befragung schwanke laut EU-Kreisen stark von Mitgliedsland zu Mitgliedsland.

Diskussionen um das Umstellen köcheln seit Jahren, ja Jahrzehnten auf mittlerer Flamme dahin. Aus dem EU-Parlament waren mehrfach Forderungen nach einer Abschaffung der Sommerzeit gekommen. Im
heurigen Februar beauftragte das EU-Parlament dann die EU-Kommission mit der Frage. Die zunächst unterschiedlichen nationalen Regelungen hätten für Verwirrung gesorgt: So trat die Sommerzeit in manchen Fällen auf der einen Seite der Grenze in Kraft, auf der anderen jedoch nicht. "Man braucht sich nur vorzustellen, dass Reisende am Bahnhof auf den Zug warten und nicht wissen, wie spät es einige Kilometer weiter ist!", gibt Bulc ein praktisches Beipiel.

Anno 1980 begann die Europäische Union allmählich damit, Vorschriften einzuführen, damit alle Mitgliedsstaaten die Zeitumstellung aufeinander abstimmen und nicht zuletzt Abweichungen bei Fahrplänen ein Ende bereiten. Seit 1996 stellen alle EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Uhren am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Sonntag im Oktober wieder eine Stunde zurück.

Argumente der Kritiker

Kritiker sehen in der Zeitumstellung eine mögliche Gesundheitsgefährdung für den menschlichen Organismus. "Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit können noch nicht abschließend beantwortet werden", konterte die EU-Kommission bislang. In Österreich hat die Sommerzeit ihren Ursprung in der Ölpreiskrise von 1973 und wurde 1980 umgesetzt. Deutschland und die Schweiz folgten, Vorreiter war Frankreich, das bereits 1973 umstellte. Propagiert wurde das Konzept einst mit einer Stunde mehr Tageslicht für Unternehmen und Haushalte. Diese Maßnahme sollte helfen, den Energiebedarf zu drosseln – ein Effekt, den z. B. der EU-Abgeordnete Heinz Becker anzweifelt: "Anders als gedacht, bringt die Zeitumstellung keine Energieersparnis, aber hohe Kosten für die Wirtschaft."

Befürworter des Vorstellens der Uhren (sofern dies nicht ohnehin Smartphone, anderes digitales Gerät oder Funkuhr selbstständig erledigt) freuen sich vor allem, dank der Zeitverschiebung an Sommerabenden ein zusätzliches Stündlein bei Tageslicht verbringen zu können. Hierzulande setzte man bislang, wie so oft, auf Konstanz: Laut einer Akonsult-Umfrage wünschen sich 61 Prozent die Beibehaltung der Sommerzeit, besonders die Jüngeren. Man freue sich über eine bessere Aufteilung der Sonnenstunden für Berufstätige, neun Prozent sehen eine Energieersparnis.

Auf der anderen Seite klagen Gegner der Umstellung über Schlafprobleme und "Mini-Jetlags". Schlafforscherin Brigitte Holzinger hat Tipps parat: An den vier Tagen davor je eine Viertelstunde früher schlafen gehen. So würde der Umstieg abgefedert. Ein 30-Minuten-Nickerchen am Nachmittag könnte ebenso helfen (idealerweise nicht im Büro).