Meine Güte, wie die Zeit vergeht“, sagte Anna Wiesmayr gestern an ihrem 110. Geburtstag, als sie die riesigen Ziffern „110“ auf einem weißen A4-Blatt entzifferte. „Bei acht Millionen Einwohnern der älteste Mensch zu sein – das ist wie ein Lottosechser“, sagt ihr Sohn Rudolf Wiesmayr.

Trotz ihres fast biblischen Alters ist Wiesmayrs Gesundheitszustand stabil. Sie lebt seit einigen Jahren in einem Linzer Seniorenzentrum. Wiesmayrs Lieblingspfleger Andi schickt sie bis heute immer noch das eine oder andere „Busserl“ per Handkuss zu. Vor drei Jahren hatte er die Idee, Wiesmayr zu jedem Geburtstag ein Polo- Shirt mit ihrem eingestickten Alter und dem Linzer sowie dem oberösterreichischem Wappen zu schenken.

„Sie weiß sehr genau, was sie will“, sagt Andi mit einem Schmunzeln. „Sie liebt alles Süße und besteht vor dem Schlafengehen auf ein Stück Schokolade als ‘Betthupferl’.“ Geboren wurde die Jubilarin am 23. Juli 1908 als Anna Waldhör. „Wenn der Kaiser Franz Joseph mit dem Sonderzug nach Linz durch die Franckstraße gefahren ist, da haben wir gejubelt und ihm zugewunken“, kann sich die betagte Dame noch an einen Besuch des Kaisers in Linz erinnern.

Schlimme Erinnerungen an den Krieg

An den Ersten Weltkrieg hat Wiesmayr keine konkrete Erinnerung. An den Zweiten dafür sehr schlimme. Die damalige Postmitarbeiterin erlebte die Bombenangriffe auf Linz. Ihr Ehemann sollte nie mehr aus Russland zurückkommen, er wurde für tot erklärt. Nach dem Krieg heiratete Wiesmayr erneut, ihr einziger Sohn Rudolf kam zur Welt.

Bis zu ihrem 98. Geburtstag lebte sie noch völlig selbstständig in ihrem Haus in Linz. Sie kochte, putzte, wusch und kümmerte sich um den Garten. Das darin selbst gezogene Gemüse könnte ein Geheimnis ihres hohen Alters sein. Dabei hat sie nie besonders auf ihre Gesundheit geachtet. „Alles, was der Arzt heute verbietet, hat sie gegessen. Torten, den Kaffee und sogar den Salat hat sie so stark gezuckert, dass es im Mund,gekriselt‘ hat“, erzählt Rudolf Wiesmayr. Er wünscht seiner Mutter zum 110. Geburtstag, dass sie so bleibt, wie sie ist.