Staatsanwältin Elisabeth Böhm-Gratzl führte zur Lebensgeschichte des jungen Mannes aus, dass die damalige Beziehung seiner Mutter 1992 noch vor seiner Geburt auseinandergebrochen war und er seinen Vater nie kennengelernt hatte. Er wuchs zunächst bei den Großeltern und dann bei seiner Mutter auf. Die beiden lebten sehr zurückgezogen und hatten auch zu Verwandten nur sporadisch Kontakt.

Nach Matura und Präsenzdienst studierte der Angeklagte je zwei Semester Rechts- und dann Politikwissenschaften. Beides brach er ab und nahm bis zuletzt die finanzielle Unterstützung seiner Mutter in Anspruch, sagte die Anklägerin. Die Frau habe wiederholt die Lebensgestaltung des Sohnes, der keinen geregelten Job hatte, kritisiert.

An jenem Abend kam es erneut zum Streit um seine berufliche Zukunft und seine geplante USA-Reise. Die 43-Jährige habe ihrem Sohn vorgeworfen, ein Träumer zu sein. Als sie sich an den Esstisch im Wohnzimmer setzte, habe er zu einem faustgroßen Briefbeschwerer in Form einer Glaskugel gegriffen und ihr damit mit großer Wucht von hinten auf den Kopf geschlagen. Sie sank zu Boden, er ergriff ein langes Küchenmesser und stach ihr 36 Mal in den Nacken.

Anschließend ließ der damals 22-Jährige die Tote liegen. Am folgenden Tag putzte er die Wohnung, wischte die Blutspuren weg, wickelte die Leiche ein und legte sie in die Bettzeuglade der Wohnzimmercouch. Am Nachmittag suchte er im Internet intensiv nach Flügen in die USA und buchte tags darauf bei einem Reisebüro für 8. September einen Flug von Schwechat via Amsterdam nach Atlanta.

Dann räumte der Angeklagte all seine Sachen weg, entsorgte die Festplatte seines Laptops und auch sein Mobiltelefon, so Böhm-Gratzl. Am 8. September löste er sein Bankkonto auf, behob 3.000 Euro und fuhr mit dem auf die Mutter angemeldeten Pkw zum Flughafen, wo er den Wagen parkte. Unmittelbar vor dem Flug hob er noch mit der Bankomatkarte der Frau 400 Euro ab.

Am 18. September zeigte die Schwester des Opfers an, dass sie beide nicht telefonisch erreichen konnte - im Zuge der folgenden Wohnungsöffnung durch die Polizei wurde die Leiche entdeckt. Nachdem der abwesende Sohn sofort unter dringendem Tatverdacht gestanden sei, wurde ein internationaler Haftbefehl erlassen und der Verdächtige am 6. Oktober in den USA festgenommen. Eine Woche darauf erfolgte die Auslieferung nach Österreich.

Wie die Staatsanwältin weiter ausführte, verantwortete sich der Verdächtige in U-Haft im Jänner 2015 geständig. Er gab an, die Kontrolle verloren zu haben, Zorn sei hochgekocht. Es sei ihm bewusst gewesen, dass seine Mutter die Stiche nicht überleben wird. Das Opfer sei nach dem Schlag bewusstlos gewesen, als von hinten auf sie eingestochen wurde. Verletzungen am Hals würden darauf hindeuten, dass der Angeklagte auch versucht haben könnte, ihren Kopf abzutrennen.

Böhm-Gratzl zufolge stellte ein IT-Sachverständiger trotz der Löschversuche des Angeklagten am Laptop noch Einiges fest: So habe der junge Mann bereits im August im Internet recherchiert, wie man sein Aussehen verändern und zu einer anderen Identität kommen könne. Er habe auch nach dem Thema Verbrecher auf der Flucht gesucht.

Dem Beschuldigten werde eine Persönlichkeitsstörung höheren Grades attestiert. Es mangle ihm an der Fähigkeit, allein Probleme zu lösen, er sei aber zurechnungsfähig - und habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht im Affekt und nicht im Zustand allgemein begreiflicher Gemütserregung gehandelt, betonte Böhm-Gratzl.

Verteidiger Marcus Januschke zufolge war sein Mandant jahrelangem Psychoterror seitens der Mutter ausgesetzt. Es gebe viele Argumente dafür, dass die Tat aufgrund der traurigen Vorgeschichte kein Mord, sondern Totschlag gewesen sei, sagte der Anwalt in seinem Eröffnungsplädoyer zu den Geschworenen.

Von Natur aus habe ein Mensch eine besondere Bindung zu seiner Mutter. "Keiner tötet seine Mutter einfach so", meinte Januschke. Es sei etwas Furchtbares passiert. Das Leben seines Mandanten, der zunächst bei den Großeltern aufgewachsen war, sei ab dem 13. Lebensjahr durch "totale Unterordnung" geprägt gewesen. Bis zuletzt habe ihn die Mutter sogar an den Haaren gezogen - eine Frau, die unter schweren psychischen Problemen gelitten habe. Der Anwalt sprach von Wahnvorstellungen und Stimmungsschwankungen von aggressiv bis völlig lethargisch.

Die Frau, die eine Behandlung abgebrochen und Medikamente verweigert habe, habe ihren Buben - wie auch Zeugen bestätigen - völlig von der Umwelt abgekapselt, so Januschke: "Er war allein - ohne jegliche Hilfe."

"Es war ein ganz normaler Tag." Ruhig wirkend und in gepflegtem Deutsch schilderte der gescheiterte Student den Tagesablauf vor der Eskalation. Man habe gefrühstückt, dann sei jeder in sein Zimmer gegangen. Am späten Abend aber kam es wegen seiner geplanten USA-Reise zu einem "massiven" Streit, der sich eine Stunde lang hin und durch die gesamte Wohnung zog. Seine Mutter habe ihn gepackt, in sein Zimmer gedrängt und angeschrien, er solle endlich aufwachen. Da sei alles aus ihm herausgebrochen, "die Schläge und Misshandlungen der letzten Jahre...". Als sie sich hinsetzte, schlug er zu - und als sie zur Seite sank, griff er zum Messer.

Dann sei ihm bewusst geworden, was er getan hatte, sprach der Angeklagte davon, fassungslos gewesen zu sein. Eigentlich habe er dann nur gewartet, dass die Polizei kam, weil der Streit so laut gewesen war, dass Nachbarn etwas gemerkt haben müssten. Das war jedoch nicht der Fall. Er habe aber immer gedacht, "irgendwann wird man mich sowieso erwischen". Ich wollte sie nicht einfach so liegen lassen", begründete er seine Einkäufe und Putzaktion am folgenden Tag.

Er habe u.a. Washington und New York sehen wollen, erzählte er von seinen Reiseplänen, und auch, dass er Gelegenheitsjobs hatte. Die Mutter habe dauernd mit ihm geschimpft, ihn an den Haaren gezogen. Er habe sich aber vor der Tat "absolut nicht" überlegt, sie zu töten, betonte der 23-Jährige auf Frage seines Anwalts.

Dass das spätere Opfer psychische Probleme hatte und "schwierig" war, wurde im Zeugenstand bestätigt. Die Schwester sprach von Wahnvorstellungen der 43-Jährigen, die sich immer mehr zurückgezogen habe. Die Sorge der Familie habe dem Buben gegolten. Der Sohn habe allen leidgetan, sagte eine Frau und schilderte diverse Begebenheiten mit ihrer früheren Arbeitskollegin.

Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner attestierte dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Er sei weder geistig krank noch minder begabt. Wohl aber liege ein schizoide Persönlichkeitsstörung vor, das heißt, er tue sich emotional schwer, Beziehungen einzugehen, und beschäftigte sich hauptsächlich mit sich selbst. Nach seinen Schilderungen der jahrelangen problematischen Zweierbeziehung zu seiner Mutter sah Kastner bei der Frau alle Symptome einer schizophrenen Erkrankung: "Hier wuchs ein Kind mit einer psychisch kranken Mutter auf."

Solche Kinder seien verängstigt, fühlen sich oft verantwortlich für den Zustand, die ständige Spannung löse mitunter Aggression aus. Warum er dann - erwachsen - nicht einfach gegangen sei, begründete die Psychiaterin mit dem Zustand der Ambivalenz, in dem er sich befand. Eine gefährliche Zukunftsprognose stellte sie dem Angeklagten im Hinblick auf die Frage nach einer Einweisung in eine Anstalt nicht aus.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen ging es in die Mittagspause. Am Nachmittag sollten die Schlussplädoyers und die Urteilsberatung folgen.