Zwei Skitourengeher aus Kärnten und Bayern haben fast 24 Stunden stehend in einer Gletscherspalte am Großen Wiesbachhorn bei Fusch im Pinzgau ausgeharrt, bis sie am Sonntag geborgen werden konnten. Der 33-Jährige aus St. Veit an der Glan und der 60-Jährige aus Passau, der an der Hand verletzt war, wurden unterkühlt, aber in gutem Zustand ins Spital gebracht, berichtete die Bergrettung am Sonntag.

Die beiden Alpinisten waren am Samstagvormittag von Fusch über den Sandbodenkees Richtung Gipfel unterwegs, als sie in etwa 3.300 Metern Höhe auf der Schneedecke einbrachen. Sie fielen etwa vier Meter tief in eine Gletscherspalte. Gegen 11.00 Uhr alarmierten sie mit dem Mobiltelefon die Einsatzkräfte. Die Männer waren nicht angeseilt und hatten auch keine Gletscherausrüstung dabei. Sie seien erfahrene und durchtrainierte Bergsportler, hieß es.

Am Samstag unternahmen Bergrettung und Alpinpolizei vier Versuche, eine Bergung war aber wegen der schlechten Sicht- und Wetterverhältnisse nicht möglich. Zudem herrschte große Lawinengefahr. Man war in regelmäßigem Telefonkontakt mit den Verunglückten. Sie standen auf einer Schneebrücke in der Gletscherspalte, die weiter hinunter ging und dort breiter wurde. Die beiden trugen hochgebirgstaugliche Skikleidung und hielten sich in der Nacht gegenseitig wach.

Gegen 5.00 Uhr am Sonntag war das Wetter beim ersten Test noch schlecht. Am Berg habe die Temperatur in der Früh minus sieben, im Tal plus vier Grad Celsius betragen, erklärte Josef Lechner von der Bergrettung. Gegen 9.00 Uhr schaffte es ein starker, extra angeforderter Hubschrauber bis zur Unfallstelle. Dort ließ der Pilot den Einsatzleiter Paul Hasenauer sowie die Flugretter Markus Amon und Thomas Schweiger schwebend aussteigen. Diese bargen die beiden Skitourengeher mittels Seilzug aus der Gletscherspalte.

Zuerst wurde der Bayer, im zweiten Flug der Kärntner ins Tal gebracht. Gegen 9.45 Uhr seien beide unten gewesen. Insgesamt waren an der Bergung 20 Leute von Bergrettung, Alpinpolizei, Feuerwehr und Christophorus-Staffel beteiligt.

© Bergrettung Salzburg

Notfallausrüstung oft lebensrettend

Wenn man die erforderliche Notfallausrüstung bei sich hat, unverletzt geblieben ist und sich noch dazu zu zweit in einer Gletscherspalte befindet, dürfte es kein Problem sein, eine Nacht zu überleben. Das erklärte der Gasteiner Bergführer und Bergretter Gerhard Angerer, Ausbildner der österreichischen Skiführer, am Sonntag im APA-Interview.

Die Gletscherspalte schützt den Menschen vor dem sogenannten Windchill-Effekt: Durch den Wind fühlt sich die Temperatur weit kälter an als sie tatsächlich ist. "In der Gletscherspalte ist es nicht so kalt, es gibt keine Luftbewegung und der Schnee isoliert", erläuterte Angerer. Die Situation sei ähnlich wie in einer Höhle oder in einer selbst errichteten Biwakhöhle. In der Spalte könne es auch nur wenige Minusgrade haben. "Zu zweit sind die Überlebenschancen größer. Man kann sich gegenseitig Körperwärme spenden." Das sei auch für einen Verletzten sehr hilfreich.

Biwaksack, Rettungsdecke und Wärmepads würden den Körper vor dem Auskühlen schützen. "Man kühlt weniger aus, wenn man sich in den Biwaksack einwickelt, sich auf den Rucksack setzt - er hat eine isolierende Funktion, er hält die Kälte von unten ab - und seine Extremitäten immer wieder bewegt. So kann man die Nacht relativ gut überstehen", weiß der staatlich geprüfte Berg- und Skiführer, der auch Ausbildner der Bergrettung Dorfgastein ist. Eine weitere hilfreiche Maßnahme sei, die Kleidung, die durch den Schweiß beim Gehen feucht geworden ist, zu wechseln. "Deshalb ist es wichtig, immer Wechselkleidung mitzunehmen. Je mehr trockene Kleidung man anhat und je weniger Wärme die Haut an die Oberfläche abgibt, desto besser."

Die Überlebenschance steige auf jeden Fall, wenn der Hochtourengeher die erforderliche Gletscher- und Notfallausrüstung inklusive Erstehilfepaket und auch genügend Flüssigkeit zum Trinken sowie eine Essens-Notration im Gepäck hat, betonte der Bergführer. "Wenn man am Gletscher unterwegs ist, muss man auch eine Gletscherausrüstung mithaben: Hüftgurt, Steigeisen, Karabiner, Pickel, Eisschraube und Gletscherseil gehören zur Standardausrüstung." Wenn möglich, sollte sich der Abgestürzte in der Gletscherspalte mit einem Seil sichern, um einen weiteren Absturz vorzubeugen, vor allem dann, wenn er auf einer Spaltenbrücke aufgekommen ist, die brechen kann.

Angerer verwies auf das Beispiel eines 70-jährigen Pensionisten aus München, der im August 2012 am Tiroler Schrankogel in den Stubaier Alpen sechs Tage in einer Gletscherspalte gefangen war. Er wurde mit leichten Verletzungen, unterkühlt und erschöpft geborgen. Der Bergsteiger war gut ausgerüstet und hatte auch genügend Flüssigkeit dabei. Wegen der milden sommerlichen Temperaturen konnte er auch das herabtropfende Wasser trinken.

Als Problem sieht der Gasteiner Bergführer allerdings einen zunehmenden Trend im Hochgebirge: Sogenannte Mountain-Runner seien oft nur mit einem kleinen, zehn bis 15 Liter fassenden Rucksack unterwegs und für hochalpine Notfälle nicht entsprechend gerüstet.