Noch ist Manuel entspannt. Doch wenn später das Licht in der Oper langsam ausgeht, werden sie bei ihm Schlange stehen: die Damen in ihren langen Roben, die Herren im Frack mit weißer Fliege. „Sacherwürstel gehen dann am besten“, sagt der junge Mann mit der rot-weiß-gestreiften Schürze im Würstelstand vor der Albertina. Viele Menschen – vor allem Touristen – sind er und sein Team sowieso gewohnt, aber an diesem Abend ist es etwas anders. „Tatsächlich kommen da eher die Wiener zusammen“, sagt Manuel.

Manuel bekommt im Würstelstand nichts vom Opernball mit – bis die Gäste bei ihm landen
Manuel bekommt im Würstelstand nichts vom Opernball mit – bis die Gäste bei ihm landen © Stockhammer

Schließlich ist heute Wiener Opernball. Nach und nach schreiten die Reichen und Hergerichteten über den fein sauberen roten Teppich – die Mitarbeiter haben ihn erst vor Kurzem mit einem „Raaaatsch“ von der Plastikfolie befreit. Jetzt lassen sich Baumeister Richard Lugner und Priscilla Presley ablichten, Designer Harald Glööckler, Schlagerstar Heino und Schauspieler Franco Nero und und und …

Loge vom Winde verweht

Schnell wird es drinnen eng. Bei den verschiedenen Sälen, Logen, Gängen, Stiegen und kleineren Räumen ist die Gefahr, sich zu verlaufen, groß. Peter Kozak ist einer der wenigen, der sich zielsicher seine Wege durch die Mengen bahnt. Den Opern-Irrgarten kennt der technische Direktor des Hauses in- und auswendig. Er hat schon so oft beim Ball der Bälle dafür gesorgt, dass alles glattläuft, die genaue Anzahl weiß er gar nicht. „Zwischen 30 und 33 Mal“, schätzt er.

Was ist Jahr für Jahr die größte Herausforderung? Der Umbau. In 30 Stunden werden Bühne und Zuschauerraum zum Ballsaal. „Der Opernball ist für mich und das Team wie eine recht exzessive Aufführung“, sagt er. Von dem einen oder anderen Hoppala kann Kozak erzählen: „Einmal haben wir eine Loge, die der Wind beim Transport vom Lkw geweht hat, im Saal schnell noch zusammenschweißen und reparieren müssen.“ Der Parkettboden, der extra für die Tanzenden verlegt wird, sei auch schon einmal eingebrochen. Aber: „Noch hat alles so stattgefunden, wie es soll“, sagt Kozak und klopft sich dabei auf den Kopf statt auf Holz. Wenn er von seiner Arbeit erzählt, grinst er übers ganze Gesicht. Man merkt ihm an, dass er es liebt, mit seinem Funkgerät in der Hand und dem eingespielten Team schnell auf Unerwartetes zu reagieren, den Opernball mit den rund 5000 Gästen am Laufen zu halten: „Es ist wie ein großes Tetris-Spiel.“

Peter Kozak ist technischer Direktor am Opernball
Peter Kozak ist technischer Direktor am Opernball © Stockhammer

Saure Schlangen unterm Dach der Oper

Eher an ein Schachbrett erinnern die Debütantinnen in den weißen Kleidern und die Debütanten in den schwarzen Fracks mit ihrer Fächerpolonaise zur Eröffnung. Davor versammeln sie sich in ihrem Lager direkt unter dem Dach der Oper. Eines der 144 Paare sind Martina Reinhold und ihr Tanzpartner. Die Friesacherin freut sich besonders, Elīna Garanča singen zu hören. „Ich bin ein riesiger Opernfan und sie ist meine Lieblingssängerin“, schwärmt die 25-Jährige. Kurz vor dem großen Auftritt zeigt sich das Paar nicht. Sie sind gut vorbereitet: „Wir haben Salat, Gurkerl, Falafel, sogar Chicken-Nuggets.“ Ihr Tanzpartner reicht Martina Reinhold eine saure Gummischlange. Darauf zu achten, genug zu essen und zu trinken, ist die halbe Miete. „Gestern bei der Generalprobe sind 15 Leute umgekippt“, sagt Reinhold. Als Kind hatte sie eine Opernball-Barbie, erzählt sie. „Die hab ich komplett zerspielt.“ Einmal auf dem Opernball zu sein, das sei schon immer ein Traum gewesen. „Vor allem als junger Mensch geht man da nicht einfach mal so hin.“ Reinhold spielt auf die Preise an. Eine Eintrittskarte kostet zumindest 385 Euro, ein Mineralwasser auf dem Ball knapp zehn Euro.

Martina Reinhold und ihr Tanzpartner
Martina Reinhold und ihr Tanzpartner © Stockhammer

Alle strömen auf ihre Plätze – wenn sie denn welche haben –, die Verwirrung ist groß, die wenigsten wissen wohin. Die Unternehmerin Judith Williams steht mit ihren Begleiterinnen und Begleitern vor dem Lift, nur der kommt nicht. Sie zeigt sich bereit, die Stufen zu nehmen, doch Mann Alexander-Klaus Stecher hält sein „Schatzi“ zurück. „Warten wir lieber auf den Lift!“

In seiner Loge Platz genommen hat inzwischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der seinen montenegrinischen Amtskollegen Jakov Milatović zu Gast hat. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist mit Estlands Premierministerin Kaja Kallas gekommen.

Eingequetscht zwischen Lugner und Priscilla

Eine regelrechte Belagerung nach der Eröffnung: Beim Versuch, Richard Lugner und Priscilla Presley zu folgen, muss man das Risiko in Kauf nehmen, eingequetscht zu werden. Die Ex-Frau von Elvis-Presley zeigt sich jedenfalls berührt, von der Eröffnung sei sie begeistert gewesen und sie will auch wieder nach Wien kommen, erzählt sie. „Die Priskilla, die macht mehr, als ausgemacht war und ich muss mitmachen“, sagt ein etwas erschöpft wirkender Lugner. Ganz freundschaftlich zeigen sich in der Nähe Heino und Oliver Pocher. „Brauchst du etwas?“, fragt der Comedian. Etwas Flüssiges, lässt Heino wissen. Und Pocher startet los.

Priscilla Presley im Medienrummel
Priscilla Presley im Medienrummel © Stockhammer

Die zerrissene Hose des Herrn Fröhlich

Zwei Stockwerke tiefer, ein bisschen versteckt am Gang, öffnet sich eine Tür zu einem kleinen Raum: die Schneiderwerkstatt. Gerissene Träger, abgefallene Knöpfe: Die drei Schneiderinnen kann nichts aus der Ruhe bringen. Nicht einmal, wenn der „Herr Fröhlich“, Sänger und Saxophonist Bernd Fröhlich, mit einer vom Schritt bis zum Knie aufgerissenen Hose kommt. „Auch das haben wir hinbekommen“, sagen die Schneiderinnen.

Das Schneiderinnenteam
Das Schneiderinnenteam © Stockhammer

Apropos gute Feen am Opernball: Da dürfen die beiden Damen vom Fundbüro nicht fehlen. Eine „herzzerreißende Liebesgeschichte“ haben sie zu erzählen. Ein Mann hat seinen Ring verloren, seine Frau machte sich auf die Suche und fand vor ihm das – zugegeben gut versteckte – Fundbüro. Als dann der Mann „todtraurig“ auch endlich beim Fundbüro angekommen war und Frau und Ring erblickte, „hat er fast zum rean angefangen“, erzählt eine der beiden Mitarbeiterinnen.

Erleichtert zeigen sich auf der Feststiege auch Debütant Paul Janisch aus Graz und seine Tanzpartnerin. Sie haben den Eröffnungstanz erfolgreich hinter sich gebracht. „Es war kurz und schön.“ Darauf ein Eis und einen Sekt, und dann weitertanzen, so der Plan der beiden.

Paul Janisch und seine Tanzpartnerin
Paul Janisch und seine Tanzpartnerin © Stockhammer

Der Opernsaal hat sich indes mit tanzenden Gästen gefüllt. Der Abend beginnt für viele jetzt erst richtig. Mal sehen, ob sie schlussendlich bei Manuel am Würstelstand landen.