Wiens fliegende Schauspielerin. So nennt sie die amerikanische Presse im Oktober 1927. Lilly Dillenz ist damals kurz davor, Geschichte zu schreiben. Beinahe wird sie die erste Frau, die über den Atlantik fliegt. Und nicht Amelia Earhart. Der das schließlich gelingt, die 1932 dann ganz allein sogar den Pazifik überquert, kurz darauf abstürzt und deren Wrack jetzt vielleicht mithilfe eines Sonarbilds gefunden werden könnte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Lilly Dillenz - vor ihrer Hochzeit noch Elisabeth Leonore Hollitzer - gilt in den 1920ern als Flugpionierin. Vor allem ist sie aber auch Schauspielerin. Schon als Mädchen will sie ans Theater, ihre Eltern, der Wiener Maler und Karikaturist Carl Leopold Hollitzer und Olga Josefine Emilie Scholz, erlauben ihr aber nur Malerei an der Wiener Kunstgewerbeschule zu studieren. Dillenz wird unter anderem von Erwin Puchinger und Alfred Roller unterrichtet. Später heiratet sie den Architekten und Künstler Richard Dillenz und kämpft sich auf die Bühne. Rainer Simons lehrt sie, ihre erste Rolle war die Esther in „Hinter Mauern“ im Modernen Theater.

Ausschnitt aus der amerikanischen Presse
Ausschnitt aus der amerikanischen Presse © Screenshot

Blinder Passagier

Doch nicht die Schauspielerei bringt sie 1927 in die Schlagzeilen. Am 4. Oktober ist Lilly Dillenz - damals 31 Jahre alt - Passagierin des Flugs D-1230. Unter dem Kommando von Frederick Loose soll die Maschine - ein dreimotoriges, als Tiefdecker ausgelegtes Verkehrsflugzeug, Modell Junkers G 24 - von Ost nach West, von Europa nach Amerika, den Atlantik überqueren. Kurz vor der Abreise sei Dillenz an Bord des Flugzeugs geschmuggelt worden, so berichtet es die Daily Illini, eine amerikanische Zeitung am 5. Oktober 1927. Alleine, dass eine Frau bei so einem Überquerungsversuch mit von der Partie war, wurde damals als sensationell angesehen - Fliegen war teuer und eher den Männern vorbehalten.

Weit kommt das Flugzeug aber nicht. Ein Defekt bei den Propellern zwingt zur Notlandung auf den Azoren, ein Start ist nicht mehr möglich. Das Vorhaben scheitert. Dillenz ist noch nicht bereit aufzugeben, für den Frühling 1928 ist ein neuer Versuch einer Atlantiküberquerung geplant. Doch aus der kommt nicht zustande. „Das Scheitern des Flugprojekts der Frau Dillenz“, so titelt die „Neue Freie Presse“ die Geschichte auf Seite 15 am 17. Mai 1928. Darin wird berichtet, dass Dillenz und ihr Mann mit den Flugzeugherstellern Junkers-Werke in Verhandlungen waren. Sie hätten mit ihrer eigens gegründeten „Dillenz-Transozeanflug GmbH“ das Flugzeug namens „Europa“, das sie für die Überquerung des Atlantiks gebraucht hätten, für 100.000 Mark haben können. Schlussendlich fehlen aber 30.000 bis 40.000 Mark, die Lilly Dillenz trotz aller Bemühungen damals nicht mehr auftreibt. Sie zieht sich aus der GmbH zurück, an ihre Stelle tritt laut dem Zeitungsbericht ein Pilot, der die Überquerung statt ihr antreten soll. Dillenz dürfte dennoch zuversichtlich gewesen sein, sie wird mit folgenden Worten zitiert: „Ich bemühe mich jetzt um das Zustandekommen eines neuen Ozeanfluges, über den ich im Interesse der Sache vorläufig noch nichts sagen möchte, betone aber, dass ich die Sache verfolge, weil es mein Lebensziel ist, die erste Frau zu sein, die den Ozean von Osten nach Westen überquert, und dass ich dabei weder Reklameabsichten verfolge noch einen Geldgewinn suche.“ Doch auch zu dem „neuen Ozeanflug“ kommt es offenbar nie. Und die erste Frau, die den Atlantik tatsächlich nonstop überquert, wird wenige Monate später im Juni 1928 Amelia Earhart.

Die Geschichte in der „Neuen Freien Presse“
Die Geschichte in der „Neuen Freien Presse“ © Screenshot „Neue Freie Presse“

Straße in der Seestadt zu Ehren von Dillenz

Dillenz hingegen gründet etwa um 1950 herum mit ihrem Mann die „Filmproduktion Wien“, so berichtet es die Stadt Wien. Die Firma, auch bekannt als „Dillenz-Film“, produziert unter anderem die Filme „Frühlingsstimmen“ mit Paul Hörbiger und „Der Verschwender“ mit Josef Meinrad und Attila Hörbiger. 1959 werden Dillenz und ihr Mann zu den Initiatoren des Carl-Leopold-Hollitzer-Museums in der Familienvilla in Bad Deutsch-Altenburg. Nach Dillenz Tod am 19. März 1964 in Hainburg an der Donau wird das Museum jedoch aufgelöst.

In Wien taucht Dillenz allerdings 2018 noch einmal auf. In der Seestadt Aspern in Wien-Donaustadt wird die Lilly-Dillenz-Straße nach ihr benannt.