Der Mond meiner Kindheit war ein anderer. In der noch recht schwach elektrifizierten Oststeiermark gab es nachts kaum Streulicht. Millionen Sterne funkelten und speziell in Winternächten wies uns silbern strahlender Mondschein den Weg. Das derzeit prächtigste Mond-Schauspiel verdanken wir schmutziger Luft. Dank dieser hängt der aufgehende Trabant manchmal wie eine schwangere Orange über unserer Stadt.

Seit es die Menschen gibt, waren sie auf die eine oder andere Art mondsüchtig. In zahlreichen Kulturen genoss er kultischen Status. Meistens als Göttin, doch davon am Schluss. Der Dichter Karl Enslin stattete eine Volksweise mit den Anfangszeilen „Guter Mond, du gehst so stille / durch die Abendwolken hin“ aus. Das Lied wurde mehrfach neu vertont.

Dass ein kahler, weitgehend wasserloser Raumkörper, auf dem Temperaturen zwischen 130 Grad plus und 160 minus herrschen, zu einer Ikone des Romantischen wurde, ist wohl den vormals mangelhaften Informationen geschuldet. Und dass es der Menschheit dringlichster Traum wurde, auf seiner unwirtlichen Oberfläche zu landen, habe ich nie ganz verstanden. Der deutsche Autor und Film-Regisseur Jörg Graser erkannte schon 1980: „Der Mond is nur a nackerte Kugel.“ Womit er nicht ganz unrecht hatte.

Interessant scheint mir die Gender-Zuweisung in verschiedenen Kulturen, zum Beispiel in Italien: La luna heißt sie dort. Il sole indes ist ein Mann. – Sanftes weibliches Licht hier, heiße Strahlung und wilde Manneskraft dort. Das überkommene Gender-Modell am Himmel. Mein Freund Walter R., ein begnadeter Dadaist, schrieb einst die Zeilen: „Brodel, sagte sie und noch einmal: Brodel. Da wusste ich, diese Frau ist ein Vulkan!“ Oder eben die Sonne.