Guten Morgen, liebe Leserinnen, liebe Leser!

Sie wussten es wahrscheinlich ohnehin bereits und jene, denen es noch nicht klar war, wissen es jetzt. In unseren Herzen spielt nicht nur der Partner, die Kinder, die Großmutter, der Haushund eine Rolle. Auch die Neutralität, diagnostiziert unsere Verteidigungsministerin, „liegt im Herzen der Österreicher“. Sie meinte natürlich die Herzen der Österreicherinnen und Österreicher, aber bei der Neutralität sollte man generös auch einmal auf gender-moralische Haltungsnoten über die Verwendung von Doppelpunkt oder Binnen-I verzichten. Mit der kardiologischen Diagnose der Verteidigungsministerin erübrigt sich somit jede weitere Debatte über die Zukunft der Neutralität. Alles andere würde ja bedeuten, den Österreicherinnen und Österreichern quasi ein Stück ihres Herzens zu entfernen. Da muss man kein Kardiologe sein, um zu wissen, dass dies keine gute Idee wäre.

Unser Bundespräsident wird somit bei seinem kurzfristig von heute auf etwas später verschobenen Besuch in Finnland seinem finnischen Kollegen kurz und bündig erklären können, dass für uns im Gegensatz zu Finnland und Schweden ein Nato-Beitritt schon aus kardiologischen Gründen nicht in Frage kommt. Was er antworten wird auf die Frage, welche sicherheitspolitischen Überlegungen den Kurs der Verteidigungsministerin und der Regierung bestimmen? Auch diese Antwort kann er aus dem Ärmel schütteln. Er muss nur von der Kardiologie ins geografische Fach wechseln und einen grünen Parteifreund zitieren. Im Gegensatz zu Finnland liegt unsere Alpenrepublik inmitten von Nato-Staaten. Würde uns also Russland angreifen, müsste es zuerst Hoheitsgebiet von Nato-Ländern verletzen, lautet die Begründung der Grünen, warum sich ein Vergleich mit Finnland und Nato-Beitrittsüberlegungen erübrigen.

Wer weiß, vielleicht fragt sich die Verteidigungsministerin bereits insgeheim, ob ihr Ministeramt aufgrund dieses übermächtigen Nato-Schutzes überhaupt noch nötig ist. Was offensichtlich schon einer ihrer Vorgänger gedacht haben dürfte, als er 2006 die verpflichtenden Milizübungen der strategischen Reserve des Bundesheeres abgeschafft hat. Für Militärexperten ein „sicherheitspolitischer Wahnsinn“. Einer, den Tanner belassen möchte. Das Budget des Heeres soll zwar erhöht werden, aber verpflichtende Milizübungen sollen weiter der Vergangenheit angehören. Was den Schluss nahe legt, dass sich da jemand denkt: Wozu eine funktionierende strategische Reserve an Soldaten, wenn ohnehin die sicherheitspolitisch perfekte geografische Lage unser Land zum Nulltarif schützt. Wobei: Trittbrettfahrer wollen wir natürlich keinesfalls sein! Also alles in allem: Umfangreicher Stoff für neue Kabarettprogramme meines Kollegen Ernst Sittinger

Strittiger als das Thema Neutralität ist bekanntlich der Mund-Nasen-Schutz. Ob Sie im Kampf gegen das Virus im Sommer weiter Masken tragen sollten oder nicht, lesen Sie in unserer heutigen Ausgabe im Interview von Kollegin Martina Marx mit Maria von Kerkhove von der WHO.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen neutral schönen Tag!

Carina Kerschbaumer