Als Kind hatte ich mir den Mond in meiner Fantasie ganz anders vorgestellt, als ich ihn dann auf dem Fernsehschirm sah. „Das Märchen vom Mann im Mond“ trug viel dazu bei. Weil ein Holzhauer am Sonntag arbeitete und uneinsichtig war, musste er „fürder ewigen Montag haben und im Mond stehen, ein Warnungsbild für die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden. Von der Zeit an steht im Mond immer noch der Mann mit dem Holzbündel und wird wohl auch so stehen bleiben bis in alle Ewigkeit.“ Oft las ich unseren Kindern diese Erzählung von Ludwig Bechstein vor. An klaren Wintertagen schien der Mond ins Kinderzimmer, in dem wir dicht gedrängt im Stockbett lagen.

Im „Mondzimmer“ – diesen Namen hatte Benedikt ihm gegeben – war es immer am gemütlichsten, und auch wenn sich schwarze Wolken vor den Mond geschoben hatten, ging er doch jeden Abend auf. Täglich sang ich Matthias Claudius’ „Abendlied“ vor, das mit den Versen beginnt: „Der Mond ist aufgegangen, die gold’nen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.“ Die Kinder waren zu klein, um den Sinn aller Strophen zu erfassen, und doch ließen sie sich anrühren von der Schönheit dieses Liedes, in dessen dritter Strophe der Dichter den Mond zum Anlass einer Lehre macht: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil uns’re Augen sie nicht seh’n.“