Unlängst kam das Wort „Muße“ im Lateinunterricht meiner Frau vor. Keiner ihrer Schüler wusste, was es bedeutet. Einer dachte an die Mehrzahl von Mus: das Apfelmus – die Apfelmuße. Nun kann man den Jugendlichen keinen Vorwurf machen, dass sie den Begriff nicht kennen, weil sie ihn in ihrer Lebenswirklichkeit kaum noch erleben. Denn wer hat schon „freie Zeit und (innere) Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht“ (so der Duden).

Kinder sind längst Getriebene und müssen sich schon im Babyalter an den Rhythmus der Erwachsenen anpassen. Frühmorgens raus aus dem Bett, rein ins Auto zur Krippe, dann langes Warten auf Mama oder Papa, rein ins Auto – und zu Hause dann allgemeine Erschöpfung. Wenn wir Alten uns darüber alterieren, dass die Jungen nur aufs Handy schauen, müssen wir uns fragen: Machen wir’s nicht genau so?
In Hamburg demonstrierten vor Kurzem Kinder gegen Eltern, die ständig auf ihre Smartphones starren: „Spielt mit mir! Nicht mit euren Handys!“ In welcher Welt leben wir, wenn Kinder ihre Eltern auffordern müssen, ihnen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, mehr Zeit! Wollen wir so weitermachen wie bisher, unbegrenzt flexibel, ständig erreichbar, in einer Gesellschaft, in der Geld, Profit und Karriere alles sind?