Der Satz klingt so unverfänglich und klar, was sollte da noch zu diskutieren bleiben? „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten“, schrieben die Koalitionspartner in ihr Papier. Eh klar. „In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird.“ Noch Fragen?
Schon stehen sie im Raum, die Fragen. Was heißt weltanschauliche, was religiöse Neutralität? Verbietet sie auch das Kreuz im Gerichtssaal und im Klassenzimmer? Natürlich nicht, sagt die ÖVP. Wenn Sie mich privat fragen, schon, deutet Staatssekretär Thomas Drozda, SPÖ, an. Im Papier aber, beschwichtigt er, stehe nichts davon. Die Diskussion, die man in den Verhandlungen umschiffen wollte, da ist sie.
„Das Neutralitätsgebot ist kein Kopftuchverbot“, formuliert Muna Duzdar, sozialdemokratische Staatssekretärin für Kultusangelegenheiten kryptisch. Weniger sei es, behauptet sie, ohne diese Logik näher zu erläutern. Es deutet vieles darauf hin, dass ganz im Gegenteil viel mehr damit verbunden ist.
Einfach gesagt geht es um Folgendes. Österreich ist ein katholisch geprägtes Land, das die Trennung der Sphären von Religion und Politik zwar grundsätzlich beschlossen, aber nur unvollständig vollzogen hat. Kreuze in Klassen öffentlicher Schulen zeugen davon ebenso wie Kreuze in Gerichtssälen. Und nun kommt eine andere Religion, die in Österreich noch nicht sehr lange eine große Minderheit stellt, und will ihre Symbole zeigen. Das zu verbieten, geht in einem Land, das seine Bürger gleich zu behandeln verspricht, nur dann, wenn es für alle gilt.
Mit dem scheinbar neutralen Begriff „Neutralitätsgebot“ hatte man gehofft, den heiklen Streit zu umgehen. Der Versuch ist – wenig erstaunlich – gescheitert. Vernebelung hat noch nie zur Bereinigung von Konflikten geführt.
Ähnliches wird sich vermutlich auch an vielen anderen Stellen des Pakets zeigen. Die Halbierung der Obergrenze für Asylwerber, wie sie die ÖVP seit Wochen fordert, wollte die SPÖ nicht. Also heißt es in dem Pakt, man wolle deren Zahl „massiv reduzieren“. Die Unterstützung des Heeres bei der „Zurückweisung von Fremden“ plant die Koalition, als wäre das so einfach. Wie diese Zurückweisung in der Praxis aussehen soll, darüber ist der Streit vertagt. Lustig zu werden verspricht auch die Auseinandersetzung über die „Ausreiseanhaltung“, die neu zu fassen sich die Regierung vornimmt. Auch die Begriffe „Rückkehrzentren“ und „Rückkehreinrichtungen“, zwei weitere Worte aus dem Papier, versprechen endlos Streit.
Doch zurück zur religiösen Neutralität, der Lücke Nummer eins. Muna Duzdar hat angekündigt „mit allen Religionsgemeinschaften darüber diskutieren zu wollen, was das Gebot im einzelnen genau heißt“. Über solche Gespräche wird es wohl Sommer werden.