Lebensweise akzeptieren
Ich bin in unserem Dorf in der Freiwilligen Flüchtlingsbetreuung engagiert. Die Menschen, die zu uns geflüchtet sind, sind nicht hier her gekommen, damit sie an ihrem Weltbild arbeiten. Sie sind aus persönlichen Gründen gekommen, weil sie ihr gewohntes Leben durch Bedrohungen in ihrer Heimat nicht mehr leben konnten. Wenn Zuwanderer unsere Lebensweise akzeptieren, haben wir schon viel erreicht.
Für mich als Frau ist es nicht entscheidend, ob ein Muslim, der einen Wertekurs besucht hat, zu seiner Frau nach Hause geht, ihr das Kopftuch wegnimmt und sie zum AMS schickt. Für mich ist entscheidend, dass ich mich als Frau gefahrlos zu jeder Tages- und Nachtzeit im öffentlichen Raum frei und sicher bewegen kann, wie ich es bisher tat. Ich möchte nicht als Freiwild oder würdelos betrachtet werden, nur weil die Zeichen von Distanz, Respekt, Achtung und Würde in unserer Gesellschaft andere sind, als in muslimischen Kulturen.
Außerdem ist es unverantwortlich, den muslimischen Frauen in Wertekursen beizubringen, dass sie hier die selben Rechte wie Männer haben und ihnen andererseits keine Möglichkeiten zu bieten, Deutschkurse oder andere Qualifizierungsmaßnahmen zu besuchen, wenn sie kleine Kinder haben und diese mitbringen müssten, da es ihnen natürlich hier an der Familienstruktur fehlt, sie gut betreut zu wissen.
Maria Schloffer, Pischelsdorf


Naiv
40 Prozent von 900 befragten anerkannten Flüchtlingen sind der Meinung, dass die religiösen Gesetze über den staatlichen stehen, die Religionen nicht gleichwertig sind, usw… Und Integrationsminister Sebastian Kurz meint, dass ein einmaliger (!) achtstündiger Wertekurs die Integration fördert. Zitat: „Flüchtlinge haben viele Werte noch nicht verinnerlicht“. Einmal abgesehen davon, dass es in keinem einzigen muslimischen Land so viel Toleranz und Unterstützung für Zuwanderer gibt – es kann doch nicht irgendjemand ernsthaft glauben, dass sich jahrelange Sozialisierung, Prägung durch die eigene Kultur und tief sitzende religiöse Überzeugungen durch einen einmaligen Wertekurs in Luft auflösen? Zumal sehr viele Landsleute aus diesem Kulturkreis bereits hier sind.
Wie wäre es denn umgekehrt? Wenn wir in ein muslimisches Land auswandern würden? Würde ein einmaliger Wertekurs bewirken, dass wir westlich geprägten Frauen gerne Kopftuch tragen, uns unseren Männern unterordnen, und die Scharia für gut befinden? Vor allem wenn dort mit uns auch Zehntausende andere Österreicher, Deutsche und Schweizer sind?
Entweder sind unsere Politiker naiv oder sie halten die Bevölkerung für naiv. Ich weiß nicht was ich schlimmer finde.
Dr. Nina Maas, Gössendorf