Lange dachte ich, dass man es auf Sozialen Netzwerken nicht so genau nehmen muss, dass diese ein Umschlagplatz für allerlei Lustbar- und Merkwürdigkeiten seien bis hin zum groben Unfug. Leben und leben lassen war die Devise. Aber jetzt ist es so weit: Ich habe mit dem Entfreunden und Entfolgen begonnen. Nicht länger möchte ich mich auf Facebook und Twitter dem Unsinn von Klimawandel-Leugnern, Putinverstehern und Coronaschwurblern aussetzen. Nicht länger möchte ich in einer Welt leben, in der irgendeine Fake-Grafik gleich viel Bedeutung beansprucht wie Erkenntnisse, die auf Tausenden Studien und zahllosen Stunden Forschung basieren. Nein, liebe Ex-Freunde und Ex-Gefolgte: Fakten sind keine Meinungen und Meinungen keine Fakten. Es kann schon sein, dass das Bauen von Brücken wichtig ist und der Abbruch von solchen kommunikativen Brücken es verunmöglicht, dass jemand die "Seite", respektive die Perspektive ändert. Aber es ist genauso legitim zu sagen, dass man die Scheinargumente und Falschinformationen des Gegenübers nicht mehr als Diskussionsgrundlage hinnehmen möchte,  sondern kategorisch ablehnen darf. Um ein besonders drastisches Beispiel zu nennen: Ich habe keinerlei Absicht mit irgendjemandem über die Existenz des Holocausts zu diskutieren und werde das gewiss niemals tun. Das ist eben keine Verweigerung der Diskussionsbereitschaft, weil es hier überhaupt nichts zu diskutieren gibt.

Die Idee, dass selbst Naturwissenschaften kulturell mitbedingt sein könnten, ist ja eine interessante Vorstellung aus der postmodernen Philosophie. Und natürlich ist der Diskurs nicht völlig frei, sondern von gesellschaftlichen Machtverhältnissen mitgeprägt. Aber beides hat absolut Null (in Zahlen: 0) mit der Relativierung von Evidenzen, der Uminterpretation der Realität und dem Zurechtbiegen von Zahlen zu tun. Das ist einfach der Triumph der Desinformation und der freiwilligen Dummheit unter dem Mantel des kritischen Denkens. Der "Ketzer" und wahre Freidenker Giordano Bruno hatte das Glück, sich nicht mit Sozialen Netzen herumzuschlagen zu müssen, seine Probleme waren aber noch viel größer. Er schrieb am Ende des 16. Jahrhunderts: „Das Übel ist, sie wähnen sich im Lichte.“ I feel you, dude.