Sogar erklärten und beseelten Optimisten fällt es dieser Tage schwer, hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken. Zu sehr verdichtet sich ein immer vielfältiger werdendes Sammelsurium an Krisen. „Crisis? What crisis?“ – das legendäre Supertramp-Album aus den 1970er-Jahren lässt grüßen. Was die Gasversorgung betrifft, hat Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Wochenende zumindest einmal dargelegt, wie im Ernstfall vorgegangen werden soll. Immer noch ist da aber sehr viel wegmoderieren und Nicht-Klartext-reden.

Die Herren der G7-Staaten schauen in malerischer Bergkulisse rund um das Schloss Elmau in Bayern noch älter aus als sie sind – und ratlos angesichts diverser Krisenszenarien und sich nicht abzeichnender Kriegsmüdigkeit bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der hat seine Truppen pünktlich zum Start des G7-Gipfels wieder einmal Luftangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew fliegen lassen. Zweifelhafte „Liebesgrüße“ aus Moskau, wie wir sie 2022 nicht zum ersten Mal gesehen haben. Dass USA, Deutschland, Frankreich & Co. ein gemeinsames Importverbot für russisches Gold verkünden, wird den russischen Präsidenten kaum tangieren – wie auch die Witze über sein Macho-Gehabe. Die Welt sucht nach einer neuen Ordnung und mit ihnen die G7 – ein Klub der Geschlagenen, wie unser Korrespondent Peter Riesbeck sie treffend beschreibt.

Viele, nicht nur in der Welt der Politik, agieren allen Krisen zum Trotz weiterhin nach dem Motto „Fake it till you make it“. Schon 1968 sang Paul Simon auf dem Album „Bookends“ treffend „And I know I’m fakin it, I’m not really makin' it”. Einfach so zu tun, als habe man alles im Griff, als sei man mit Weisheit, Schönheit oder Reichtum gesegnet, als lebe man ein glamouröses Leben. Nur keine kritische Reflexion, kein Differenzieren, kein Eingestehen von Fehlern. Gnadenlos die eigene Agenda durchziehen, die Realität verleugnen, in Kurzsichtigkeit agieren. Populisten, vermeintliche politische Wunderkinder und selbsternannte Life Coaches treffen auf eine Influencerisierung der Welt – eine suboptimale, gefährliche Mischkulanz angesichts einer düsteren Krisenkulisse, die uns Verzicht und Abschied von stetigem Wachstum lehren wird. Aber vielleicht handeln die einfach alle nach Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie: „Jeder Mensch kann alles, solange er sich selbst keine Grenzen setzt.“

Fälschungen scheinen in unserer hyper-digitalisierten Welt auch keine Grenzen mehr gesetzt. „Fake it till you make it” ging in den vergangenen Tagen so weit, dass die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey, der Madrider Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig jeweils Videotelefonate mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko führten – um später draufzukommen, dass man auf einen digitalen Schwindel hereingefallen war. Offenbar wurde mithilfe künstlicher Intelligenz vorhandenes Videomaterial von Klitschko so manipuliert, dass der Gesprächspartner „echt“ und glaubhaft wirkte. Wer dahinter steckt und was das Ziel war, ist unklar. Beängstigend sind diese Fälle jedenfalls. Der deutsche Investigativjournalist Daniel Laufer berichtet auf Twitter lesenswert über seine Analyse des Bildmaterials. Er geht nicht von einem perfekt inszenierten „Deep Fake“ aus, sondern spricht von einem sogenannten „Shallow Fake/Cheap Fake“ – „also keine Magie, sondern bloß ein Zaubertrick, mit dem die Betroffenen nicht gerechnet haben“. In dieser Welt muss man wohl mit allem rechnen.

Einen fälschungssicheren Wochenstart wünscht