Karl Nehammer sprach immer wieder von Wladimir Putins Augen. In die habe er gesehen, während er dem russischen Staatschef schilderte, welche Schrecken des Krieges er selbst in der Ukraine erlebt hätte. Aber kann man mit Blickkontakt die Weltgeschichte verändern?

Der 49-jährige Nehammer wirkte sehr jung, sehr idealistisch. Wie einer, der gerade versucht hatte, das verhärtete Innenleben eines 20 Jahre älteren Machtpolitikers anzurühren; eines Staatschefs, der nach 22 Herrscherjahren beschlossen hat, militärisch vorzugehen.

Sie hatten gestritten. Der Jüngere argumentierte humanistisch, mit dem tausendfachen Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung, der Ältere machte die Ukrainer für die Gräuel verantwortlich. Laut Nehammer war der Schlagabtausch "schonungslos", Putin verzichtete hinterher auf jeden Kommentar; sein Sprecher Dmitri Peskow hatte bezeichnenderweise nur zu sagen, das Gespräch habe im Vergleich zu früheren Treffen nicht lange gedauert. Aber diese 75 Minuten haben Putins neue Feldherrenlogik ebenso wenig erschüttern können wie seine mehrstündigen Palaver mit Emmanuel Macron oder Olaf Scholz vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen.