Wagen wir ein Gedankenspiel: Die vermeintlich vakant gewordene Milliarde der abgesagten Impflotterie anders zu verteilen. Wie wäre es, wenn wir zumindest einen Teil des Geldes in Frauenpolitik investieren würden. Der heutige "Equal Pay Day" bietet einen Anlass dazu, diesen Gedanken weiterzuspinnen.

Vergleicht man die Gehälter aller Vollzeit-Erwerbstätigen nach Geschlechtern, haben Frauen bis heute gratis gearbeitet – und das bei gleicher Leistung. Bislang hat das Jahr 46 Tage. Eine lange Zeit, und ein eklatanter Unterschied. Obwohl der Einkommensunterschied im heurigen Jahr sogar gesunken ist, bleibt die strukturelle Ungleichheit bestehen.

Österreichs "Gender Pay Gap" hat sich in den letzten 20 Jahren um nur zwei Prozentpunkte verringert. Wenn wir im bisherigen Tempo die finanzielle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen weiterhin so träge bekämpfen, würden erst unsere Ur-Ur-Ur-Enkelinnen im Jahr 2362 gleichgestellt sein – das rechnet das Momentum Institut vor. Um es in den Worten der Autorin Christine Nöstlinger, einer der berühmtesten Feministinnen Österreichs, zu sagen: "Ich höre seit 20 Jahren dasselbe, und es hat sich nichts verändert (…) ein 'Binnen I' haben wir bekommen. Aber das ist ein bisschen wenig."

Man könnte gar die Frage stellen, darf es noch ein bisschen weniger sein: Denn in Statistik finden sich nur Vollzeitbeschäftigte. Werden auch Teilzeitbeschäftigte einbezogen, ist das Einkommen von Frauen um 35 Prozent geringer, als jenes der Männer: Frauen befinden sich viel häufiger in Teilzeitbeschäftigung.

Was kann man also wirklich mit der hypothetischen Milliarde tun, um die Situation für Frauen zu verbessern, wenn es auch ein strukturelles Problem ist? Mehr Kindergartenplätze? Ja, auch. Denn die hohe Teilzeitquote von Frauen ist kein Naturgesetz, sondern Resultat politischer Entscheidungen. Dabei fehlt es aber nicht unbedingt nur am Geld, sondern auch an der Umsetzung. Denn die Gründe der Einkommensunterschiede haben ihre Wurzeln auch auf betrieblicher und auf gesellschaftlicher Ebene: Etwa in der unterschiedlichen Bewertung von Arbeit in verschiedenen Branchen, der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, aber auch die offenbar noch immer vorhandene "gläserne Decke".

Doch das alles ist nicht in Stein gemeißelt, und jenen Stimmen, die behaupten, man könne doch nicht in die Betriebe eingreifen, sei gesagt: Die Weiterentwicklung der Einkommensberichte, die Einführung eines Lohntransparenzgesetzes, verbindliche Frauenförderpläne, Sanktionen für Betriebe bei echter Einkommensdiskriminierung, Angabe des zugehörigen Kollektivvertrages in Stellenausschreibungen – das darf und muss eingefordert werden.

Aber dazu braucht es vor allem eines – und das kann man auch mit der vakanten Milliarde nicht erreichen: den politischen und gesellschaftlichen Willen zur Veränderung.