Der Mond ersetzte die Feuerwerkskörper vollwertig. Er schien voll und hell im südlichsten Tal und warf in der letzten Nacht des alten Jahres ein mildes Licht auf den Neuschnee, der meterhoch auf den Dächern liegt. In den zwei benachbarten Dörfern, durch Felder getrennt, läuteten um Mitternacht die Glocken der beiden Konfessionen minutenlang im Duett. Keine blaue Donau auf den Terrassen. Großbritannien schlich sich endgültig aus Europa, hinein in ein Unglück, das Boris Johnson einen großartigen Moment nannte. Die Countdown-Musik im Fernsehen war unterirdisch und trostlos wie immer. Dass davor keine große Party war, war keine Verzichtsübung, sondern ein Glück.

Der Morgenpostler kann sich, wenn er ehrlich ist, an keine geglückte Silvesterknopfdruckparty in der Vergangenheit erinnern. Weil sie lustig sein musste, war sie meist nur laut oder scheiterte an der hohen Erwartung. Dieses Mal war alles gut. Bei den Wünschen Erinnerungen an den Lateinlehrer. Er war kriegsversehrt und kam mit Krücke in das Klassenzimmer. Er hatte eine Strenge, die man erst Jahre später als zugewandt begriff. Er schleuderte zuerst seine leere Ledertasche auf den Katheder und danach die Gehstütze. Von ihm lernten wir die Herkunft und Bedeutung des Wortes Prosit: „Dritte Person Singular, Präsens, Konjunktiv, von lateinisch prodesse, nützen, schaff ma das in diesem Leben?“

Prosit Neujahr: Es möge nützlich sein. Nützlicher als das nichtsnutzige. Wär fesch. Wir reichen hier die Wunschformel an die 8419 täglichen Bezieher und Bezieherinnen des Newsletters hoffnungsfroh weiter.