Eigentlich wollten wir etwas lesen aus seinem reichen Fundus an Wissen über das Heilige Land, über religiöse Tradition, ihren Sinn und ihre Kraft. Aber Wolfgang Sotill fühlte sich zu schwach. Seit Wochen versuchen die Ärzte der Onkologie, mit kraftzehrenden Chemotherapien seinen seltenen Blutkrebs einzudämmen. Als wir ihn vor ein paar Tagen fragten, ob er vielleicht über seine Situation schreiben wollte, sagte er nach kurzem Zögern zu.

Sein Text sprengt den Rahmen einer Zeitung eigentlich. Wann schreiben wir schon über uns, wann geben wir etwas preis von unseren tiefsten Ängsten und Hoffnungen? Es wird nicht erwartet und passt nicht in das prosaische Umfeld nüchterner Nachrichten. Deshalb sticht dieser bewegende, aufrichtige und ermutigende Text so grell heraus aus dieser Advent-Ausgabe. Wolfgang erzählt einfache Dinge in einfachen Worten; von seinem Krankenhaus-Alltag, der kaputten Kaffeemaschine, vom komatösen Kollegen im Nebenbett, vom Winken am Fenster, wenn seine Frau und sein Sohn ihn besuchen, ohne heraufkommen zu dürfen, von Beethoven, der ihm gegen die Öde der zäh  verrinnenden Zeit hilft, von der Beharrlichkeit der Ärzte, die in internationalen Konsultationen nach einem Mittel suchen, das ihm helfen könnte, und von seiner Dankbarkeit für all die Zuwendung, kurz, für das Leben.

Fast bizarr nimmt sich daneben die österreichische Debatte über Sterbehilfe aus, die auch in dieser Ausgabe ihren Niederschlag findet. Vielleicht sollten Sie sich Wolfgangs Text für den Schluss der Lektüre aufheben, als Trost und stillen Widerspruch zur kühlen Rede vom Recht auf Selbstbestimmung in allen Lebenslagen, meint