Die Griechen wollen in Wahrheit nichts mehr von Streiks wissen. Denn seit im März 2010 der damalige Premier Giorgos Papandreou das erste Sparpaket im de facto bankrotten Euro-Land verkünden musste, hat es Dutzende Generalstreiks gegeben. Der Protest schaffte sich Platz auf der Straße, doch im Parlament ist er nie wirklich angekommen.
Griechenland hat heuer nach acht Jahren Schuldenkrise samt rigorosem Sparprogramm den Euro-Rettungsschirm verlassen. Den Zahlen geht es besser. Doch den Menschen geht es schlecht.
Das zeigt sich auch anhand der Demografie. 2008 kamen in Griechenland noch 140.000 Kinder zur Welt, heuer sind es nur noch 80.000. Die griechische Gesellschaft ist eine alternde Gesellschaft. Mehr als eine halbe Million junger Menschen mit guter Ausbildung oder abgeschlossenem Studium haben seit 2010 schon das Land verlassen. Und es werden immer mehr. In einem Athener Spital arbeiteten in den ersten Jahren der Krise junge Ärztinnen und Ärzte um Gotteslohn. Sie wurden zwar gebraucht, bezahlt wurden sie aber nicht, denn es gab schlicht kein Geld für sie. Über viele Jahre hatten sie keine Perspektive, denn es gab keine Jobs, und die wenigen, die es gab, waren schlecht bezahlt. Die klugen Köpfe suchten ihr Glück in einem anderen Land. Heute fehlt eine ganze Generation im Land. Die seriöse Athener Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“ schrieb kürzlich von einer „tickenden Zeitbombe an den Fundamenten des Pensionssystems“.
Während die Griechen zu Beginn der Krise knapp zweieinhalb Prozent ihres Einkommens sparen konnten, kommen sie seit 2012 nur über die Runden, wenn sie Erspartes haben. Während die Löhne ständig fielen, stiegen im Gegenzug die Lebenshaltungskosten und die Steuern. Ein Liter Milch und ein Kilo Brot kosten in Athen mehr als in Österreich. Doch die Gehälter der Griechen liegen weit unter jenen der Österreicher.
Rechtzeitig vor Weihnachen will Alexis Tsipras, der Premierminister des Links-Rechts-Bündnisses, 1,4 Milliarden Euro als „soziale Dividende“ an 3,4 Millionen Bedürftige verteilen. Nicht nur die Opposition kritisiert, mit dem Weihnachtsgeld wolle Tsipras vor allem sich selbst und seinem Linksbündnis Syriza helfen. Tsipras nehme den Menschen ihr Haus weg, schenke ihnen ein Zelt und erwarte dafür Dankbarkeit.
Und er besinnt sich auch auf die alte griechische Tradition der Klientelpolitik: Er verspricht 50.000 neue Jobs im Staatsdienst in den nächsten zwei Jahren. Natürlich, im Frühjahr dürfte es vorgezogene Wahlen geben.
Es wundert nicht, dass viele junge Griechen kein Interesse mehr an Politik haben, wenn die Strukturen immer dieselben bleiben, auch wenn die Parteien wechseln. Aber ob die Jungen es wollen oder nicht, ob sie die Politik ablehnen oder nicht: Die Politik wird ihr Leben bestimmen. Alexis Tsipras wollte alles besser machen, als er 2015 das Amt des griechischen Premiers übernahm. Das ist ihm eindeutig nicht gelungen.