Mit einem Konzert auf dem Trafalgar Square beginnt am Ostersamstag in Großbritannien das große Feiern. In der schwersten Rezession seit Menschengedenken sollen die Kette von Ostern, königlicher Hochzeit und dem Maifeiertag Geldsorgen und Rezessions-Verdruss vertreiben. Der Arbeitsausfall könnte die Wirtschaft 0,8 Prozent Wachstum kosten, aber Premier David Cameron gab das Motto aus: "Habt Spaß."

Cameron freut sich schon. 1981 kampierte er als junger Mann vor dem Buckingham Palast, um die Hochzeit von Prinz Charles und Diana hautnah mitzuerleben. Aber sind auch die Briten begeistert?

Weltweit sollen zwei Milliarden die TV-Übertragung der Hochzeit mitverfolgen. Medien in den USA und Europa sind aus dem Häuschen. In Großbritannien ist 79 Prozent laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ICM die Hochzeit "egal". Statt den Neuvermählten zuzujubeln, wollen viele auf Urlaub gehen.

Maßstab des Desinteresses sind die "Streetparties", bei denen "Union Jacks" aufgehängt werden und die Menschen an Tischen auf den Straßen Kuchen essen. Premier Cameron will eine in der Downing Street halten. Aber landesweit sind nur 4000 Parties angemeldet worden.

Besonders trüb ist die Stimmung im Norden, wo die Rezession hart trifft: In Bolton bei Manchester wurden 1977 beim silbernen Thronjubiläum der Queen 427 Parties gefeiert. Bei der Hochzeit von Charles und Diana 1981 waren es noch 100, nun sind vier angemeldet.

Zögerlichkeit vor patriotischen Festen ist bei den Briten aber nicht neu. Als die Queen 1995 zur Feier des "V-Day" einlud, rechnete man mit 45.000 Besuchern. Es kamen über eine Million. Beim 50-jährigen Thronjubiläum stichelte die Presse monatelang. Der "Guardian" forderte die Abschaffung der Monarchie, ein "teurer Anachronismus", der gegen die Menschenrechtsgesetzgebung und das Gleichheitsprinzip verstoße.

Aber dann strömten die Menschen herbei, Brian May von "Queen" spielte vom Dach des Buckingham Palastes "God Save the Queen", es gab Feuerwerk und Flugparade, die Welt bewunderte wieder einmal die schmucke Leibgarde der Königin. Andere haben Reden und Streichquartette. Die Briten haben für die nationale Selbstfindung ihre Royals.

Aber sich zur Monarchie zu bekennen, fällt den meisten Briten schwer. Intellektuellen ist die "Seifenoper" peinlich. "Die Monarchie macht Großbritannien kindisch", schrieb das linksgerichtete Magazin "Prospect" und fragte: "Wollen wir noch die Monarchie?" Eine Umfrage gab die Antwort: Nur 13 Prozent wollen die Monarchie abschaffen - der niedrigste Stand der Monarchiegegner seit der Krise nach Prinzessin Dianas Tod 1997.

Briten sind eben pragmatische, nicht enthusiastische Monarchisten. "Die Monarchie stellt die Frage, wer den Staat als Oberhaupt präsentieren soll, außerhalb des politischen Wettbewerbs", erklärt der Verfassungsrechtler Professor Vernon Bogdanor, warum Monarchien in Staaten, die nicht gerade Revolutionsbedarf haben, so stabil sind. Sogar für "Guardian"-Leser hört die Freude an der Republik auf, wenn sie daran denken, dass sich dann der verpönte Tony Blair als Präsident zur Wahl stellen würde. Nie könnte ein solcher "die Nation auf eine emotional befriedigende Weise sich selber begreifbar machen" wie eine Queen, die über Politik und Parteien steht.

Genau deshalb kommen aber immer wieder Zweifel an der Thronfolge durch Prinz Charles auf. Immer wieder hat Charles die Tabu-Grenze zum Bereich der Politik überschritten. Während die Königin "in über 50 Jahren nichts Denkwürdiges sagte", wie die "Daily Mail" lobte, schrieb Charles Briefe an Minister, mischt sich in Planungsverfahren ein, redet über Klimapolitik und zog im Buch "Harmony" sogar gegen Wissenschaft und Aufklärung zu Feld.

Charles' Mangel an Selbstdisziplin sei die "größte Gefahr für die Monarchie", schrieb der ehemalige Chefredakteur des "Daily Telegraph", Max Hastings. Einmal auf dem Thron, werde er seinen Einfluss für "schrullige Projekte" nutzen und den Konsens um die Monarchie zerstören. "Das Beste, was der Monarchie passieren kann, ist, dass Charles vor der Königin stirbt", zitiert er einen anonymen "Oxforder Professor".

Hastings schrieb diese Polemik gegen Prinz Charles kurz nach Bekanntgabe der Verlobung von William und Kate, als viele Briten für ein Überspringen der Thronfolge plädierten. Hastings forderte, William und Kate sollten nach der Queen den Thron besteigen, sich "auf Artigkeiten und Platitüden beschränken" und alle Versuche, die Monarchie zu "modernisieren", schön bleiben lassen.

Aber reicht ein ins Korsett von Tradition und Belanglosigkeit gesteckter Monarch für ein modernes, multikulturelles Land, dessen nationale Identität immer komplizierter darzustellen ist? Graham Smith, Sprecher der Anti-Monarchie-Gruppe "Republic", hält die Monarchie deshalb für überholt, weil sie "nur von Indifferenz, nicht Liebe am Leben erhalten wird". Auch Prinz William glaubt, dass Schweigen nicht genügt: "Die Menschen müssen spüren, dass die Monarchie Schritt mit ihnen hält", sagte er in seinem 21.-Geburtstag-Interview.

Das jedenfalls scheint er mit seiner Brautwahl getan zu haben: Die bürgerliche Kate zeigt, dass die Krone keine undurchdringbare Clique blaublütiger Aristokraten ist. William selbst ist unbemerkt ein paar Sprossen der Klassenleiter herabgestiegen. Er macht Schichtdienst als Rettungsflieger.

Aber nun hat sich seit Hastings' Polemik die Meinung gedreht: Laut der "Prospect"-Umfrage wollen 45 Prozent der Briten, dass Charles der nächste König wird. Nur 37 Prozent sind für den Sprung zu William. Sogar die lange Zeit verhasste Camilla wäre für die Mehrheit der Briten als "Queen" akzeptabel. Gerade bei Jüngeren wächst die Akzeptanz der Monarchie und ihrer altmodischen Regeln.

Offenbar reicht die demonstrative "Normalität" von Kate und William, um "Schritt zu halten" und das stille Einverständnis zwischen Volk und Königshaus wieder herzustellen. Denn entscheidend für die Monarchie ist, dass möglichst wenig über ihre Widersprüche nachgedacht wird. Sie soll zeitgemäß sein, darf aber den langen Schweif der Tradition nicht loslassen. Sie muss sich ändern, aber nichts darf den Eindruck unerschütterlicher Kontinuität verwischen. Und dazu gehört eben auch, dass vor dem Sohn der Vater den Thron besteigt.