Für diesen Auftritt hat er Anzug gegen Glitzerhose und Pelzmantel getauscht: Moderator Jan Böhmermann heizte Mittwochabend dem Publikum im Wiener Gasometer mit politischer Satire ein. Gemeinsam mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld hauchte er den Hits seines "Neo Magazin Royale" neues Leben ein, wobei auch die eine oder andere Österreich-Einlage nicht fehlen durfte.

An den Beginn der Show setzte der 37-jährige Deutsche rechtfertigend "Wenn ich ein echter Sänger wär". Bekannt ist Böhmermann nämlich für seine Moderationstätigkeit im ZDFneo. Seit 2013 sorgt er im Rahmen des "Neo Magazin Royale" mit polarisierenden Satire auf Politik und Gesellschaft immer für wieder neue Skandale. Im Jahr 2016 stieß er mit dem Gedicht "Schmähkritik" über den türkischen Präsidenten Erdogan bereits an die Grenzen der Satirefreiheit in Deutschland. Gestern wurden nun auch in Österreich Grenzen ausgetestet und politische Grenzen überwunden. Für die "Ehrenfeld ist überall Tour 2019" lässt Jan Böhmermann das Late-Night-Studio hinter sich und ist seit Jänner in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs.

Ganster-Rap-Parodien

Spätestens, als Böhmermann für seinen nach Eigendefinition "politischen Schlagerabend" in Glitzerhose und oversized Pelzmantel die Bühne betrat, war jedoch klar, dass er kein "echter Sänger" ist - einem solchen aber zumindest stimmtechnisch nahe kommen kann. Von Gangster-Rap-Parodien wie "Ich hab Polizei" bis hin zu der Pop-Hymne "Baby Got Laugengebäck" konnte der Entertainer eine solide sängerische Leistung abliefern. Auch in punkto Performance wartete Böhmermann mit großem Einsatz und sichtlicher Freude auf und überzeugte in den kurzen Sprecheinlagen mit seinem aus dem Fernsehen bekannten, spitzbübischen Selbstbewusstsein.

Grundsätzlich schien man sich jedoch nicht ganz klar, worauf es an diesem Abend ankam: die Musik oder den humoristischen Text. Letzterer war leider wegen dem teils dominierenden Orchester kaum zu verstehen, und so wurde dem Publikum die Wahl abgenommen - es gab sich notgedrungen den beschwingenden Klängen des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld hin. Dass die Musik im Vordergrund stand, wurde schon alleine durch die hochklassige musikalische Performance der Instrumentalisten deutlich. Das 15-köpfige Orchester überzeugte mit einem Genre-Mix aus Big-Band, Rock und Hip-Hop. Und da der Dresscode offenbar "gold-glitzerndes Party-Outfit" lautete, wurde auch im Orchester ausgiebig getanzt.

Best-of-Format des "Neo Magazin Royale"

Die Erwartungen konnten jedoch nicht gesprengt werden, was vermutlich daran lag, dass sie von Anfang an nicht sehr hoch waren. So erwies sich das Konzert doch nur als Best-of-Format des "Neo Magazin Royale". Wer sich einen Abend mit Satire-Hits wünschte oder den Moderator einfach mal live sehen wollte, wurde sicherlich nicht enttäuscht. Darüber hinaus konnte jedoch lediglich das Tanzorchester umhauen. Wenn Böhmermann beispielsweise einen seiner vier Kostümwechsel abseits der Bühne unternahm und die Musiker kleine, aber feine Pop-Intermezzi ablieferten. Zu den Highlights zählte eine Vertonung des Britney-Spears-Hit "Toxic". Für Überraschung sorgte ebenso ein spontanes Gitarrensolo des Bilderbuch-Gitarristen Michael Krammer, der inmitten eines Songs unangekündigt die Bühne betrat.

Das große Thema des Abend war das "Brückenbauen" oder wie Böhmermann deklarierte: "Es ist der Abend der Völkerfreundschaft!" Als gemeinsame deutsch-österreichische Hymne wurde anschließend in gewohnt augenzwinkender Manier ein mehr oder weniger berührendes Cover von Pietro Lombardis und Kay Ones Single "Senorita" vorgetragen.

Es ging aber auch um kulturelle Unterschiede, sollte doch kein Vorurteil zu kurz kommen. Kritisch äußerte sich Böhmermann zu den Gräbern Falcos und Udo Jürgens, mit deren Gestaltung er bei seinem gestrigen Besuch des Wiener Zentralfriedhofs unzufrieden war. Und natürlich wurde die österreichische Politik nicht ausgelassen. Ein eigens ins Programm aufgenommener Song mit dem Titel "Das Volk ist im Nationalrat zurück" endete mit einer typisch Böhmermannschen Provokation: "(...) solange Sebastian Kurz schweigt."