Leserbrief zu „Wir fasten, Sie lesen darüber“, 15. 2.

Ich danke euch von ganzem Herzen für diesen so ansprechenden Bericht mit den hohen und hehren Fastenintentionen dieser fünf jungen Redakteurinnen und Redakteure und das nun täglich erscheinende Fastentagebuch, auf dessen Lektüre ich mich schon jetzt freue! Ich wünsche den fünf jungen Menschen eine besondere und von Gott gesegnete Zeit des freiwilligen Verzichts – auf Tierprodukte, Kaffee und Stress, mit dem Intervall-Fasten und den täglichen 10.000 Schritten! Ich bin schon sehr gespannt, was sie erzählen.

Ich selbst verzichte in den Tagen von Aschermittwoch bis zur Osterjause jedes Jahr auf Fleisch und Wurst, auf Alkohol und auf gekaufte Süßigkeiten und Snacks. Dabei höre ich dann oft als Reaktion, dass wir Evangelischen doch eigentlich nicht fasten. Mir ist es wichtig, als evangelische Pfarrerin heute einmal ein Wort dazu zu sagen: In der Bibel fasten Menschen zum einen als Ausdruck von Trauer und Sühne, zum anderen zur Vorbereitung auf eine Begegnung mit Gott. Beides hat sich in der Tradition der Kirche fortgesetzt. Im Mittelalter wurde das Fasten zu einer Bußhandlung, die zum Teil verordnet wurde. Martin Luther und die Reformatoren wandten sich zugegebenermaßen gegen diese Art von Buße, natürlich gerade auch in Abgrenzung zur damaligen einzigen Kirche. Und so war das Fasten in den evangelischen Kirchen lange unüblich, ja sogar verpönt.

Heute (seit vielen Jahren!) entdecken evangelische Christinnen und Christen das Fasten neu, nämlich als eine Möglichkeit, eine spirituelle Zeit zu gestalten, um Gott zu begegnen, so wie es sicherlich auch der innere Beweggrund vieler römisch-katholischer Schwestern und Brüder ist. Und das ist doch ganz etwas Wunderbares!

In diesem Sinne faste ich überzeugt und gerne und wünsche allen, die genauso freiwillig wie ich in diesen Wochen vor Ostern auf etwas verzichten bzw. sich einer besonderen Herausforderung stellen, vor allem viel Durchhaltevermögen! 
Veronika Ambrosch, evangelische Pfarrerin, Hermagor

Weitere Leserbriefe zum Thema

Werte im Wandel

Tag der Herzen, Tag der Liebe – wenn der Valentinstag auf den Aschermittwoch fällt, das lässt Gedankenspielen freien Lauf.

Fasten in Zeiten von Überfluss? Lieben in Zeiten der Selbstdarstellung, des Egotrips? Valentinstag und Aschermittwoch verlieren immer mehr ihren ursprünglichen Sinn. Die Wirtschaft füllt sie mit kommerziellem Leben. Umsatz, die neue Leidenschaft. Fasten, nur dem geposteten Schönheitsideal zuliebe.

So wird geschlemmt und geschenkt, von denen, die die Mittel dazu haben. Andere sind zum Fasten gezwungen, und das nicht nur in der Fastenzeit. Aschermittwoch, ihr Alltag. Liebe im Herzen zu bewahren, ihre große Herausforderung.

Bei denen, die im Überfluss schwelgen und auf dem Egotrip surfen, da ist alles anders, auch im Herzen. Liebe fasten, das prägt ihren abgehobenen Alltag.

Wenn der Valentinstag auf den Aschermittwoch fällt, dann trifft heutzutage Kaufrausch auf Verzicht. Die Kluft wird größer. Unsere Werte  und Traditionen befinden sich im Wandel …
Christa Katharina Dallinger, Bad Ischl

Zeit des Fastens

Der Fasching ist vorbei, jetzt beginnt die Fastenzeit. 40 Tage sollten wir jetzt fasten. Für viele Menschen dauert die Fastenzeit das ganze Jahr. Bei diesen Lebensmittelpreisen bleibt ihnen nichts anderes übrig.
Erich Frühbauer, Trofaiach

Es geht uns gut

Ich lebe zurzeit bei einer vietnamesischen Familie in Ha Noi. Dieser Tage war ich bei einem großen Familienessen eingeladen. Ein 90-jähriger Herr, ehemals Oberst der vietnamesischen Volksarmee, der in drei Kriegen gegen Frankreich, Amerika und China gekämpft hat, schwärmte, wie schön und toll es in Österreich sei, das er schon zwei Mal besucht hat. So sauber, alles ordentlich und gepflegt, keine sichtbare Armut.

Und während Vietnam auf dem Weg zu einem sozialen Staat ist, hat Österreich dies schon erreicht. Tolle Krankenversorgung, ausreichende Pensionen und andere soziale Leistungen, von denen sie nur träumen können. Die Österreicher müssen ein glückliches Volk sein, meinte er.

Vielleicht sollten wir zur Fastenzeit darüber nachdenken. 
Wolfgang Reichelt, derzeit Ha Noi