Klock, tapp, klock, tapp, klock, tapp. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt: Henry hatte in seinem Leben Glück, und das gleich zweimal. Mit zwei Monaten landete der inzwischen fünfeinhalbjährige Belgische Schäferhund besitzerlos im Tierheim. Dort wurde beim Spiel mit einem anderen Hund aus Spaß bitterer Ernst und Henry verlor als sechsmonatiger Welpe seine rechte Vorderpfote.

"Wir sehen bei Tieren mit amputierten Gliedmaßen oft Probleme", sagt Eva Schnabl-Feichter, Chirurgin an der Vetmeduni Wien. Denn auf lange Sicht erfolgt eine Überbelastung der intakten Gliedmaßen durch die ungleichmäßige Gewichtsverteilung. Das Gangbild verändert sich, die Tiere haben Schmerzen. So auch bei Henry, dessen gesunder Vorderlauf nach innen zum Brustkorb verlagert und Ellenbogengelenk durch die Fehl- und Überbelastung geschwollen war.

© Thomas Suchanek/Vetmeduni

Neuartige Prothese, die andere Gliedmaßen schont

Im Alter von einem Jahr bekam der Rüde seine erste Prothese. Diese ersetzt seine Pfote zumindest teilweise und ermöglichte es ihm, zu rennen und zu springen. Nun kann Henry als Studienteilnehmer an der Entwicklung einer neuartigen, künstlichen Hightech-Vorderpfote mithelfen, die sowohl negativen Auswirkungen auf andere Gliedmaßen in Schach halten, als auch mehr Möglichkeiten der Bewegung für den Hund ermöglichen soll.

In Zusammenarbeit mit der FH Technikum Wien entwickelt das Team rund um Schnabl-Feichter und die Orthopädietechnik-Firma Kerkoc eine neuartige Eigenkraftprothese für Hunde, die durch ein ausgeklügeltes System an Streben die Bewegung aus dem Vorderlauf übersetzt. Sie wird in einer Studie mit insgesamt fünf geeigneten tierischen Patienten getestet, denn für dieses System ist ein gesundes Ellenbogengelenk unabdingbar. Henry arbeitet bei all den anstehenden Untersuchungen entspannt mit, als ob er wüsste, wie wichtig sein Job ist.

Das zweite Glück

Immer an seiner Seite ist sein zweites Glück – Halterin Tina Sigala. Sie hat den Rüden adoptiert, als er eineinhalb Jahre alt war, und will ihm so viel Lebensqualität und -zeit wie möglich schenken. Im Alltag ist Henry derzeit wechselweise mit anderen Prothesen unterwegs: "Einen Tag klappt es besser mit der neuen Prothese, am nächsten mag er nur mit der alten laufen", sagt Sigala.

Zusätzlich habe sie einen Wagen angeschafft, in den der Belgische Schäferhund beim Spaziergang springen kann. "Das nutzt er sehr gerne. Schwupps, liegt er dort drin und wartet, dass ich ihn nach Hause ziehe, wenn er genug erkundet hat", lacht sie.

"Alles, was wir jetzt machen, ist nicht nur für Henry, sondern auch für nachfolgende Hunde", sagt Henrys Frauchen. "Wenn wir beim Spazieren nicht jemanden getroffen hätten, der uns für die Prothese weiterverwiesen hat, wären wir jetzt nicht hier – und Henry vielleicht schon nicht mehr da."