Gössl feiert im heurigen 75-jähriges Jubiläum, was macht Ihren Traditionsfamilienbetrieb aus?
Maximilian Gössl: Das Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition ist, was unsere Unternehmens-DNA ausmacht. Wir versuchen, uns stetig weiterzuentwickeln, mit neuen Techniken und Stoffen zu experimentieren und trotzdem mit unseren Wurzeln verbunden zu bleiben.

Ihr Großmutter Grete Gössl hat das Unternehmen 1947 mit einer Bluse aus der Taufe gehoben, was verbindet die Tracht von damals mit der Tracht von heute?
Der Vorteil von Tracht ist, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad am Alltag der jeweiligen Zeitperiode orientiert. Waren vor mehreren Jahrzehnten Schulterpolster im Trend, hat man diese auch in der Tracht wiedergefunden. Große modische Zyklen waren also auch in der hochwertigen Traditionsbekleidung immer irgendwie sichtbar. Das war damals so und ist bis heute so geblieben. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Tracht jedem Trend folgt, man lässt sich nur inspirieren.

Gründerin Grete Gössl mit Mann Leopold und Sohn Gerhard
Gründerin Grete Gössl mit Mann Leopold und Sohn Gerhard © Gössl

Was macht für Sie gute Tracht aus?
Hochqualitative Tracht soll keine Verkleidung sein und vereint soviel Tradition wie möglich und so viel Innovation wie nötig, sage ich immer. Das Spiel mit den Wurzeln ist für mich das Schönste an der Tracht, hinter den unterschiedlichen Symboliken und Macharten stehen Botschaften, die den Menschen heute gar nicht mehr so bewusst sind.

Sie leiten das Familienunternehmen jetzt in dritter Generation, hatten Sie bereits in Ihrer Kindheit Bezug zur Tracht?
Aus mir ist zwar kein Schneidermeister geworden, ich bin Betriebswirt, aber ich erinnere mich, dass wir als Kind immer Stoffreste zum Spielen bekamen und Fingerfiguren daraus gebastelt haben. Das waren meine ersten Berührungspunkte.

War für Sie immer klar, dass Sie die Firma übernehmen?
Grundsätzlich hat mein Vater mir immer alle Möglichkeiten offen gelassen, weil er wollte, dass ich etwas mache, das mir Spaß macht. Er hat mich aber schon früh sehr geschickt in diese Richtung gelenkt (lacht). Natürlich freut er sich, dass das Unternehmen jetzt in der Familie bleibt.

Wann sind Sie tatsächlich eingestiegen und was fasziniert Sie an Ihrem Job am meisten?
2013 habe ich begonnen, mitzuarbeiten, war aber natürlich immer schon mit dem Betrieb verbunden, 2014 habe ich dann den Einzelhandelsbereich übernommen. Die Übernahme der Geschäftsführung verlief dann fließend und war vor ein paar Jahren dann nur noch ein Formalakt. Für mich ist dieser Beruf perfekt, schon während meines Studiums habe ich mich beinahe für zu viele Dinge interessiert und ich kann mich prinzipiell für fast alles begeistern. Dass ich jetzt von der Finanzierung bis hin zur Produktentwicklung, wo es darum geht, zu entscheiden, welche Knöpfe an ein Dirndl kommen, bis hin zur Standort- und Filialgestaltung alles machen darf, ist etwas Besonderes.

Welchen Stellenwert hat Tracht im Moment Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft?
Allgemein erlebt die Tracht immer wieder Ups und Downs und ist stark abhängig von dem Zeitgeist der Gesellschaft. In den 80er-Jahren dominierte zum Beispiel eine starke Aufbruchsstimmung, die Nachfrage nach Tracht war niedriger. Im Moment lebt der Trend zur Heimat und zur Regionalität wieder auf, ein Zyklus, der sich sehr positiv auf die Tracht auswirkt. Das Oktoberfest ist dafür ein sinnbildlicher Beweis, früher gab es viele Menschen, die ohne Dirndl und Lederhose dort feierten, das ist heute fast undenkbar.

Das Kräuterdirndl aus dem Trachtenhaus Gössl
Das Kräuterdirndl aus dem Trachtenhaus Gössl © Gössl I Sophie Menegaldo

Was hält die Zukunft nun nach 75 Jahren für Gössl bereit?
Im Herbst bringen wir eine Kollektion mit Federkielstickereien und echten Silberknöpfen heraus. Diese Art von Stickereien ist eigentlich eher auf Accessoires üblich, deswegen ist das etwas, das wir so noch nicht gehabt haben. Allgemein wollen wir auch in Zukunft noch mehr Dinge ausprobieren, die es so vielleicht noch nicht gab, in der Vergangenheit haben wir zum Beispiel auch Blaudruck auf Samt umgesetzt. Technisch funktioniert natürlich nicht immer alles, aber wir sind stolz darauf, dass wir uns immer wieder selbst herausfordern.

Wie sieht es hinsichtlich des internationalen Markts aus?
Wir haben Filialen in Bayern und Österreich, in Zukunft wäre es aber schön, die Fühler noch weiter auszustrecken. Dass das Potenzial da ist, merken wir, wenn die Touristen unsere Geschäfte besuchen. In der Vergangenheit zählten unter anderem auch schon ein amerikanischer Senator und der ehemalige König von Spanien zu unseren Kunden. Wir leben hier mit einem großen Selbstverständnis unsere eigene Kleidungskultur und Burberry und Ralph Lauren sind ein Beispiel dafür, wie man Elemente aus einem Kulturkreis international tragbar machen kann. Für uns wird es dann vielleicht nicht Lederhose und Dirndl sein, sondern einzelne Elemente der Tracht anders verpackt. Aber zuerst wollen wir uns auf dem Heimmarkt noch mehr festigen.

Gibt es etwas, das Sie von ihren Vorgängergenerationen gelernt haben?
Die Grundeinstellung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.