In einem perfekt sitzenden Anzug fühlt man sich, als würde man keinen tragen", erklärt Simon Cundey. Er muss es wissen. Huscht der Eigentümer von Henry Poole & Co., der das Familienunternehmen in siebenter Generation führt, doch selbst in feinstem Zwirn beschwingt durch sein Geschäft, wie manch anderer dies in einem anschmiegsamen Freizeitoutfit kaum tun würde. Beim Experten für klassische Anzüge und Ausstatter offizieller Anlässe des Königshauses herrscht geschäftige Betriebsamkeit.

"Der Morning Coat ist dabei Pflicht", lässt Cundey wissen. Und fischt von der Kleiderstange, auf der die Modelle nach Produktionsfortschritt geordnet sind, einen jener Dreiteiler, die am Freitag zuhauf über den Bildschirm flimmern werden. "Wir hatten schon Vorbestellungen, ehe die Verlobung bekannt gegeben wurde." Das ist leicht erklärt: Drei Monate Wartezeit muss einkalkuliert werden, bis Mann die elegante Kombination mit nach Hause nehmen darf.

Seit mehr als 200 Jahren entsteht in der Savile Row Nummer 15 edle Herrenkleidung. Auch heute noch lehnt man "Ready-to-wear" strikt ab, genauso wie Maßschneiderei - lässt in der Produktion weder Economy noch Business, sondern nur die First Class der Schneiderei gelten. "Bei uns ist alles ,pure bespoke'. Es wird Maß genommen, geschnitten, angepasst, genäht, exakt nach Kundenwunsch, mit der Hand und hier im Haus", betont Geschäftsführer Philip Parker. Für jeden Neukunden werden eigene Schnittmuster gefertigt, drei Anproben folgen. Der stolze Preis für 60 Stunden Handarbeit? Rund 3500 Pfund (3900 Euro) - dafür sind dann aber auch vier Inches (zehn Zentimeter) Material für Änderungen einkalkuliert. Rechnet man doch mit einer durchschnittlichen Tragezeit von zehn Jahren.

Während unter dem mächtigen Adler im Verkaufsraum, einem Geschenk von Napoleon III., Stoff zugeschnitten wird, werkt man im Untergeschoss emsig an den Kreationen. Da flitzen Bügeleisen über Hosenbeine, werden Knopflöcher von Hand genäht. Und vor Warhols Monroe und Zeitungsausschnitten von Vivienne Westwood, die gleich farbenfroh sind wie die Tattoos, die seine Arme zieren, arbeitet ein junger Mann an Materialteilen. So rigide die Kleiderordnung bei vielen Veranstaltungen, für die man schneidert, auch sein mag, so locker geht der Chef mit Angestellten um: "Wie man aussieht, sagt doch absolut nichts darüber aus, was man kann!"

Genauso nonchalant sieht er übrigens den Einzug eines US-Sportswear-Riesen am Eingang der "Row", der für lange Warteschlangen genauso bekannt ist wie für "Store Models" mit nacktem Oberkörper. "Das ist einfach etwas ganz anderes. Mr. Parker und ich, wir haben uns auch schon mit offenem Sakko und ohne Hemd vor das Geschäft gestellt - bei uns hat sich aber trotzdem niemand angestellt", wirft Cundey schelmisch grinsend ein. Und stellt unter Beweis: Traditionelles muss weder engstirnig noch humorlos sein.