Die Bekämpfung des Sars-CoV-2-Virus erfolgte angesichts der seit Jahrzehnten wiederholten Warnungen vor einer Pandemie und der schon längst bekannten Umstände in Ischgl und anderen Orten zu spät und mit den radikalen Lockdowns und Shutdowns in übertriebener Form. Dies hatte und hat in mehrfacher Hinsicht gravierende Kollateralschäden zur Folge. Diese beginnen damit, dass die Panik- und Angstmache, die von der Regierung betrieben wurde, bei vielen Menschen einen bleibenden Angstzustand ausgelöst hat, der nun ein entsprechend zurückhaltendes Verhalten zur Folge hat. Kollateralschäden sind auch durch die Aufschiebung wichtiger medizinischer Betreuung entstanden, ebenso wie durch die psychologischen Folgen der Isolierung.

In zwei Bereichen sind die Kollateralschäden jedoch besonders groß: Einmal betrifft dies das ohnehin rückständige Schulwesen, das vor allem im Bereich der Digitalisierung großen Aufholbedarf hat. Zudem wurde durch die dilettantische Handhabung der Schulschließung auch das Problem der Bildungsgerechtigkeit verschärft. Noch dramatischer sind die Schäden im Bereich der Wirtschaft. Nichts zeigt dies besser als die Tatsache, dass derzeit 1,4 Millionen Erwerbstätige in Kurzarbeit und über 500.000 Menschen arbeitslos sind, dazu Ich-AGs und freischaffende Künstler, insgesamt über 200.000 Personen, keine Einkünfte erzielen.

Es wurden zwar mit großem Fanfarengetöse Notmaßnahmen und Hilfspakete verkündet, doch abgesehen davon, dass deren Umfang nur einen Bruchteil jener in Deutschland oder der Schweiz ausmacht, werden sie vor allem nicht zur Wirkung gebracht. Bei der Kurzarbeit sind nicht einmal noch zehn Prozent des angekündigten Volumens ausbezahlt, wobei Firmen bereits im März angesucht und wenig später die Bewilligung erhalten, aber bis heute keinen Cent empfangen haben. Beim Hilfsfonds ist es nicht viel besser: Von den angekündigten zwei Milliarden Euro sind auch hier erst zehn Prozent zur Auszahlung gelangt, weil die 500 Mitarbeiter der WKÖ mit der Abwicklung völlig überfordert sind, während man 10.000 fachkundige Finanzbeamte links liegen ließ.

Warum funktioniert das alles in der Schweiz und in Deutschland so viel rascher und wirksamer? Hierzulande ist zu befürchten, dass aufgrund der schleppenden Auszahlung der Kurzarbeitsgelder diese oft nur mehr beim Masseverwalter einlangen werden. Auf diese Weise wird sich der Finanzminister kurzsichtig über Milliarden an Minderausgaben vermeinen freuen zu können und er wird stolz sagen, wie sparsam er gewirtschaftet hat. Gleichzeitig ist jedoch der angekündigte neue Vorschlag betreffend einen unterstützenden Fixkostenbeitrag ein neuerliches Beispiel einer Fehlkonstruktion. Es wird bei diesem Vorschlag verlangt, dass der Antrag über einen Steuerberater erfolgt. Die Steuerberater sind jedoch mit dieser Aufgabe über ihre Kapazitätsgrenze belastet und natürlich verlangen sie für ihre Arbeit ein Honorar. Eine Gewähr, dass der Antrag positiv erledigt wird und auch tatsächlich, wann immer, zur Auszahlung kommt, ist damit jedoch nicht gegeben.

Wie Bittsteller behandelt

Auch die meisten Künstler haben bislang fast nichts bekommen. Und sofern es bei sehr wenigen dennoch zu Auszahlungen kam, wurden die Antragssteller wie Bittsteller behandelt und erhielten bestenfalls Almosen. Dazu Herr Kurz zynisch: „Wer vom Hilfsfonds nichts bekommt, ist selber schuld!“ Gleichzeitig ist die Regierung selbst aber nicht in der Lage, ein brauchbares Budget vorzulegen: Die Zahlen des dem Parlament präsentierten Entwurfs scheinen jedenfalls eher einem Märchenbuch zu entstammen, als auf fundierter Analyse und seriöser Schätzung zu beruhen. Doch auch, was die zu 100 Prozent staatsgarantierte Kreditvergabe anlangt, ist zu resümieren, dass diese nicht funktioniert, weil man die Bedingungen so gestellt hat, dass letztlich das Risiko bei den Banken hängen bliebe und diese daher bei der Kreditvergabe zögern bzw. verweigern.

Dies ist eine Vorgangsweise, die schon seit Längerem bei den aws-Garantien üblich ist und diese damit unbrauchbar gemacht hat. Im Übrigen ist es irreführend zu behaupten, dass vier Milliarden Steuerleistungen gestundet worden sind. Immerhin handelt es sich um eine Verringerung der vierteljährlichen Steuervorauszahlungen. Diese werden in der Regel aufgrund des Vorvorjahresgewinnes festgesetzt. Da im laufenden Jahr aber vergleichbare Gewinne nur in den seltensten Fällen zu erwarten sind, besteht nach der Bundesabgabenordnung der Anspruch auf entsprechende Verminderung der Steuervorauszahlungen, weil eine entsprechende Steuervorschreibung gar nicht gegeben sein wird. Man hätte sich angesichts dieser Gegebenheit eine Menge bürokratischen Aufwand erspart, wenn man diese Steuervorauszahlungen auf ohnehin nicht mehr zu erwartende Steuerverpflichtungen generell ausgesetzt hätte.

Viele Geschäfte werden in Insolvenz gehen müssen

Die Folge der bisher getroffenen Maßnahmen wird sein, dass eine große Zahl von Betrieben durch das Liquiditätsvirus dahingerafft wird, weil die Unternehmen keine kostendeckenden oder einkunftsichernden Umsätze erzielen können. Schon jetzt sieht man, wie viele Geschäfte bislang nicht aufgesperrt haben. Viele werden schließen oder in Insolvenz gehen müssen. Als Ergebnis wird zusätzliche Arbeitslosigkeit entstehen, die zudem noch dadurch ansteigen wird, weil nach Auslaufen der Kurzarbeit ein nicht geringer Teil der 1,4 Millionen in Kurzarbeit-befindlichen Arbeitnehmer nicht mehr in Normalbeschäftigung zurückkehren kann und arbeitslos wird. Umso dringender und wichtiger wäre ein entsprechendes Recovery-, Wiederbelebungs- oder Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft wieder hochzufahren. Doch für ein solches liegen bislang nicht einmal irgendwelche Eckdaten vor.

Ein solches Programm müsste wirklich großzügig, rasch, gezielt, zeitlich begrenzt und strukturverbessernd ausgestattet sein (targeted, timely, temporary, transformative). Es dürfte hier kein Tag verloren gehen, weil die Umsetzung ohnehin in unterschiedlicher Weise Vorlaufzeiten hat. Aus diesen Gründen ist nicht nur ein entsprechend ausgestattetes nationales Programm, das auf die jeweiligen Angebotskapazitäten Bedacht nimmt, von größter Wichtigkeit, sondern auch die Umsetzung des Vorschlags von Macron und Merkel auf europäischer Ebene. Dieses Programm gehört dringend unterstützt und nach Möglichkeit noch ausgeweitet.

Ganz wichtig wird es auch sein, die Rückständigkeit des Schulwesens in Österreich, die in der Krise in voller Deutlichkeit zutage kam, raschest durch ein entsprechendes vorschulisches und schulisches Reformprogramm zu überwinden. In einem solchen Programm müsste auch sichergestellt werden, dass eine entsprechende Lehrausbildung gewährleistet wird. Mit einem Almosen von 1000 Euro pro Lehrling ist dieses Ziel sicher nicht zu erreichen. Und nicht zuletzt sollte die Krisenüberwindung auch dafür genutzt werden, die Universitäten und das Forschungswesen – wie so oft angekündigt, aber nie zur Umsetzung gelangt – entsprechend auszustatten. Dazu würde es genügen, die detaillierten Ankündigungen, von denen bislang nicht einmal ein Beistrich umgesetzt wurde, endlich und rasch zu verwirklichen.

Hannes Androsch
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