Auch wenn der Teufelsberg in Berlin seinen Namen vom nahe gelegenen See hat – man hätte schlechtere Bezeichnungen finden können. Der Teufel, beständig auf der Lauer, hier ein Schatten, dort ein Aufflackern, alles, nur nicht greifbar. Für den Teufelsberg, der Anfang November unter Denkmalschutz gestellt wurde, passt das im Besonderen. Aus Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgeschüttet, war darauf bis 1991 die Abhöranlage der Briten und Amerikaner aktiv. In Zeiten des Kalten Krieges richteten die Lauscher ihre Lauscher so bequem gegen Feindesland. Dabei ist die Anlage ein Paradoxon: Spionage, außergewöhnlich gut sichtbar. Das ist in etwa so, als würde James Bond mit einem 007-Hoodie um die Häuser ziehen.



Geheimdienste und das Bild, das wir von ihnen haben, ist stark von Film und Fernsehen geprägt, so Geheimdienstexperte Thomas Riegler: „James Bond oder Jason Bourne sind absolute Zerrbilder. Die haben mit der Realität kaum mehr etwas zu tun.“ Und er gibt Einblick in die Praxis, die dann doch ein bisschen enttäuschend ist: „Viele CIA-Agenten sind nicht im Auslandseinsatz, sondern mit der Auswertung in der Zentrale in Langley beschäftigt. Das kann man sich wie eine Denkfabrik vorstellen – nur hinter Stacheldraht und Sicherheitssperren.“

Das CIA-Headquarter in Langley (Virginia)
Das CIA-Headquarter in Langley (Virginia) © (c) APA/AFP/DANIEL SLIM (DANIEL SLIM)

Lang vorbei die Zeiten, als man in großem Stil Spione rekrutiert hat. „Der Kalte Krieg war das klassische Zeitalter der Human Intelligence, also menschlicher Informationsquellen, die man versuchte zur Zusammenarbeit und somit zum Verrat zu bewegen“, so Riegler. Das Husarenstück ist dem russischen Geheimdienst in den 1940er-Jahren gelungen: Bereits in den 30ern wurden mehrere Personen an der Universität Cambridge als Spione angeworben, die später Spitzenpositionen beim MI5 und MI6 einnahmen. Ein Super-GAU für jeden Geheimdienst. Noch heute löst der Name der Truppe bei Geheimdienstmitarbeitern Unbehagen aus: „The Cambridge Five“.

Geheimdienstexperte Thomas Riegler
Geheimdienstexperte Thomas Riegler © (c) Sibrawa Markus

Heutzutage ist die größte Herausforderung für die Geheimdienste der digitale Sumpf, so Riegler: „Die Datengewinnung wird immer wichtiger. Noch wichtiger ist es jedoch, die Kapazitäten zu entwickeln, um diese Daten auszuwerten.“ Das hat laut dem Geheimdienstexperten auch eine Verschiebung innerhalb der Geheimdienste zur Folge: „Die CIA hat Schätzungen zufolge rund 20.000 Mitarbeiter. Die NSA hat das Doppelte.“ Wer glaubt, dass CIA, BND, GRU & Co. hier Durchblicker sind, liegt falsch – von Klarsicht keine Spur, wie Riegler erklärt: „Schaut man sich Zahlen von Ende 2016 an, so zeigt sich, dass die NSA gerade einmal 1,6 Prozent des globalen Internetverkehrs absaugt. Von diesen Daten werden wiederum nur 0,025 Prozent weiter ausgewertet.“ Der neue Angstgegner heißt: Datenflut.

Das Überschreiten roter Linien

Die Auseinandersetzungen verlegen sich immer mehr ins Netz, vor allem die Themen Cyberkrieg und Netzwerksicherheit würden bei den Geheimdiensten ganz oben auf der Tagesordnung stehen, so der Experte. Doch das Netz ist trotzdem nicht das alleinige Operationsfeld. Entwicklungen, wie der Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi oder den Giftanschlag auf den  russischen Ex-Agenten Sergei Skripal, öffnen ein anderes Problemfeld: Immer öfter werden Grenzen überschritten. „Das hängt mit den geopolitischen Spannungen zusammen. Schon während des Kalten Krieges gab es ein Gentleman’s Agreement – über Sachen, die man nicht macht. Diese rote Linien werden heute zunehmend überschritten“, so Riegler. Die Folgen: „Das heißt, dass Geheimdienste bewusst Operationen auf Territorien anderer Staaten ausführen und dabei immer riskanter zu Werke gehen.“

Sergei Skripal
Sergei Skripal © (c) APA/AFP/Kommersant Photo/YURI SENATOROV (YURI SENATOROV)

Apropos riskant, wer glaubt, das alles habe mit ihm nichts zu tun, könnte sich geirrt haben. Riegler sieht in der „Über-Technologisierung eine Gefahr für den Einzelnen.“ Als Beispiel nennt er den US-Drohnenkrieg. „Dabei wurden auch Ziele nur auf Basis von Metadaten-Analyse und der Lokalisation des Mobiltelefons angegriffen. In diesen Fällen war die genaue Identität der Zielperson unbekannt und es ist nicht auszuschließen, dass auch Unschuldige getötet wurden.“ Wie schnell bei Geheimdiensten die Nerven blank liegen, hat man 2007 im Iran gesehen: Damals wurden 14 Eichhörnchen „verhaftet“, die angeblich mit modernsten Spionagegeräten ausgerüstet waren. Das könnte sich nicht einmal Hollywood ausdenken.