Wer sich da nicht verliebt, hat kein Herz. Wenn die Electra Glide mit blechernem Bollern anspringt – und dann dieses lässige, entspannte Knattern beim ersten zarten Dreh am Gasgriff, die Vibration unterm Sattel dieses mächtigen Zweirads aus dem Hause Harley-Davidson. Kein Strafzoll der Welt wird die Aficionados davon abhalten, jenem Motto zu frönen, das auf der Motorabdeckung ihres Bikes steht: Live to ride, ride to live. Leben, um Harley zu fahren, Harley fahren, um zu leben.

Ein Mythos, 1903 gegründet von den Arbeitskollegen William S. Harley und Arthur Davidson. Harley war technischer Zeichner, Davidson Modellbauer in einer Firma, die Elektromotoren hergestellt hat. Der Rest ist verchromte Geschichte. 115 Jahre später baut die Firma immer noch Motorräder. Böse Zungen behaupten: genau wie damals. Denn es stimmt schon: Es gibt schnellere und zuverlässigere Motorräder, es gibt exakter und besser zu fahrende Motorräder und es gibt weiß Gott technisch ausgereiftere Motorräder. Aber es gibt nur eine Harley-Davidson. Keine andere Marke hat es zu einem derartigen Kultstatus geschafft. Zum Symbol für Freiheit und Individualismus.

Was aber macht den Mythos aus? „Die Gemeinschaft“, sagt Alex Dieber, geschäftsführender Gesellschafter vom Harley-Händler Clocktower in Graz, ohne Zögern. „Das sieht man bei den Treffen. Da sitzt der Maurer mit dem Herzchirurgen beisammen. Beide haben Jeans und Lederjacke an.“ Die gesellschaftlichen Unterschiede – unter Harley-Fahrern sind sie aufgehoben. Dem Mythos unterliegen aber nicht nur schwere Jungs und schwerbezahlte Herren. Auch junge Burschen greifen zum Eisen aus Milwaukee mit dem charakteristischen 45-Grad-V2-Motor.

Wie Patrick Posch, der sich den Traum von einer Harley schon als Student im Alter von 23 Jahren mit einer gebrauchten Sportster erfüllt hat. „Man findet bei den Treffen schnell Anschluss und ist schnell in Gespräche über Modellfeatures, Ausfahrten und Anbauteile verwickelt.“ Er widerlegt auch das Klischee vom schwergewichtigen Cruiser, der nur auf langen Geraden dahingleitet. „Schon bei der ersten Probefahrt habe ich gesehen, dass man eine Harley durchaus sehr sportlich bewegen kann.“



Natürlich haben Peter Fonda und Dennis Hopper als Wyatt und Billy im Roadmovie „Easy Rider“ ihren Anteil an der Legendenbildung. Und die „Captain America“ von Fonda sowie das „Billy Bike“ von Hopper legen ein weiteres Steinchen ins Mythos-Mosaik: die Individualisierung. Beide sind umgebaute „Panheads“ und zeigen, dass keine Harley wie die andere ist. „Bei den Treffen findest du unter 300 Bikes keine zwei komplett gleichen“, sagt Harley-Händler Dieber. Man kauft eine Harley vielleicht von der Stange, aber man macht einen Maßanzug aus ihr. Längere Gabeln, hoch aufragende „Apehanger“-Lenker, steile Sissy-Bars vulgo Sozius-Rücklehnen, dunkle Blinker, Speziallackierungen, martialische Auspuffanlagen. Eine Harley ist immer auch ein Statement. Nach außen bist du anders, in der Gruppe ist jeder gleich.

Zurück zur Electra Glide. Klischeehafter könnte die Ausfahrt mit dem dicken Bike nicht sein. Raus aus Los Angeles, durch die Mojave-Wüste ins Death Valley. Endlose Geraden, endloses Cruisen, „Born to be wild“-Schreie unterm Halbschalenhelm. Da ist es – das Gefühl der Freiheit. Aber ginge das nicht auch mit einem japanischen Vierzylinder unterm Hintern? „Sicher“, sagt Dieber. „Der fährt sich leichter und kostet auch weniger. Aber er ist keine Harley-Davidson.“ Mythos eben, nicht rational erklärbar.

US-Präsident Donald Trump vor einer Harley Davidson
US-Präsident Donald Trump vor einer Harley Davidson © APA/AFP/NICHOLAS KAMM

Vielleicht aber zerstörbar durch Donald Trump, seine Strafzölle und die Ankündigung, Harley-Davidson das Leben schwer zu machen, wenn sie ihre Produktion aus den USA ins Ausland verlagern? Mitnichten, glaubt Alex Dieber „Die Nachfrage nach bereits verzollten Fahrzeugen ist sehr stark gestiegen“, sagt er. Müsste er die Strafzölle an seine Kunden weitergeben, wäre das sicher fatal. „Ein Fahrzeug um 35.000 Euro kommt dann auf deutlich über 40.000.“ Aber einstweilen übernimmt Harley-Davidson die Kosten. Für die Stärkung des Mythos sicher kein Schaden.