Lassen Sie sich keine schönen Augen machen, denn der Schein trügt. Der „Super-Monster-Wolf“ soll ohnehin nicht betören, sondern eher verstören. Schließlich sind Schweinereien sein Job. Der Roboter ist 50 Zentimeter hoch, 65 Zentimeter lang, mit Fell überzogen und sein Knurren erreicht eine Lautstärke von 90 Dezibel. Japan hat kein Wolfsproblem, sondern ein Wildschweinproblem. Und dafür erfindet es einen Wolf. Oder besser gesagt eine knurrende Wolfattrappe, die Wildschweine von Reisfeldern fernhält. Das nennt man dann wohl kontrolliert in die Natur eingreifen.

Und mit der Natur ist das so eine Sache, wenn sie sich keine Grenzen aufzwingen lässt, dann wird sie zum Störfaktor. Seit Jahren findet sich der Wolf in der Rolle des Unruhestifters. Überspitzt gesagt, schafft er zwei Lager: Der Wolf muss weg und der Wolf muss bleiben. „Und dabei befinden wir uns auf einer Insel der Seligen“, sagt Karlheinz Wirnsberger, Chefkurator des Jagdmuseums Schloss Stainz, das sich im Vorjahr in einer Sonderausstellung dem sagenumwobenen Fabelwesen widmete. Denn Österreich ist eigentlich von Wölfen umzingelt. In Italien, Tschechien, Schweiz, der Wolf ist überall zurückgekehrt. In Deutschland gibt es rund 450 davon, in Österreich sind es plus/minus 15 Stück, wobei sich das einzige Rudel in Allentsteig befindet.

Ein bisschen eine Lachnummer:  „Super-Monster-Wolf“ in Japan
Ein bisschen eine Lachnummer: „Super-Monster-Wolf“ in Japan © APA/AFP/TORU YAMANAKA (TORU YAMANAKA)

Wenig Wölfe, große Aufregung. Dabei war das Verhältnis von Wolf und Mensch früher einmal ein äußerst inniges. Mehr als das - es war ein Verhältnis auf Augenhöhe. Es war der Jäger Mensch, der den Jäger Wolf an seine Seite geholt hat, um ihn als erstes Wildtier zu zähmen. Doch aus dem Dream-Team wurden Konkurrenten. Der Mensch wurde sesshaft, hielt sich Nutztiere und das wusste der Wolf weidlich auszunutzen. Und frei nach dem Motto: Hat der Mensch schon deinen Ruf ruiniert, lebt er damit ganz ungeniert. Und so wird die Geschichte vom bösen Wolf, der zugleich auch das schwarze Schaf der Tierwelt ist, seit Jahrhunderten munter weitererzählt.

In unseren Breitengraden waren vor allem die Gebrüder Grimm besonders erfolgreich am Rufmord beteiligt. In „Rotkäppchen“ werden zwei Generationen - Enkelin und Großmutter - vom hinterlistigen Wolf verspeist. Und auch bei den sieben Geißlein bahnt sich ein Geiseldrama der etwas anderen Art an. „Von Kindesbeinen an werden wir mit den schlimmen Geschichten vom Wolf konfrontiert. Dabei wollten die Gebrüder Grimm nur vermitteln, dass man sich im Wald vorsichtig bewegen und sich Fremden gegenüber skeptisch verhalten sollte“, so Wirnsberger. Übrig blieb der böse Wolf. Böse, ein Attribut, das er nicht und nicht loswird. Auch wenn bei den indigenen Völkern Nordamerikas der Wolf als positiv besetzter Schutzgeist verehrt wird. Apropos Schutzgeister. Vielleicht wurde er aufgrund seines mystischen Wesens auch zum Wappentier der Esoterik.

Man nehme den Vollmond, die Nacht, den Nebel, dazu noch etwas Wolfsgeheul und fertig ist die Gänsehaut. Isegrim hat das Pech, genau ins Beuteschema des Gruselns zu fallen. In einer aufgeklärten Welt ist erstaunlicherweise die Sehnsucht nach dem Mystischen größer denn je. Ausgerechnet der Wolf. Kein Wildtier ist so genau erforscht wie dieser Waldbewohner. Verständlich, denn sein Portfolio kann sich sehen lassen. Alphatier, Gründer eines sozialen Netzwerks, auch Rudel genannt, und Troubleshooter bei jeder Wetterlage. Der Wolf passt sich an eine Vielzahl von Umgebungen an - von der Tundra bis zur Wüste. Ein An passungskünstler, dem Alphatier Mensch nicht ganz unähnlich.

 Karlheinz Wirnsberger vom Jagdmuseum Schloss Stainz
Karlheinz Wirnsberger vom Jagdmuseum Schloss Stainz © Universalmuseum Joanneum

Nicht umsonst spricht auch der renommierte Wolfsforscher Kurt Kotrschal von einer belasteten „Schicksalsgemeinschaft“: „Wie der Wolf ziehen wir unseren Nachwuchs liebevoll groß, bekämpfen unsere Gegner aber brutal.“ Das bekommt nun wiederum der Wolf zu spüren. Nachdem er in Österreich schon um 1892 ausgerottet wurde, haben es seine Nachkommen umso schwerer, wieder Fuß zu fassen. Karlheinz Wirnsberger, der selbst auch Jäger ist, ist deshalb der Meinung, dass die Diskussion rund um das Tier berechtigt ist, aber auf jeden Fall anders geführt werden muss. Nämlich „wertfrei und nicht so stark emotionsgeladen“. Kurt Kotrschal: „Das Thema birgt Konfliktpotenzial. Da sind keine Biologen gefragt, sondern Mediatoren.“

Kurt Kotrschal im Wolf Science Center (WSC) in Ernstbrunn
Kurt Kotrschal im Wolf Science Center (WSC) in Ernstbrunn © APA/AFP/JOE KLAMAR (JOE KLAMAR)
Man darf bei dem Thema ruhig auch einmal lachen: Rotkäppchen mit Schäferhund
Man darf bei dem Thema ruhig auch einmal lachen: Rotkäppchen mit Schäferhund © Getty Images (Underwood Archives)