Hightech trifft Steinzeit: Von Terroristen ins afghanische Hinterland verschleppt, baut Technikfreak, Multimillionär und Playboy Tony Stark aus primitivsten Mitteln eine Hightech-Rüstung. Er kann fliehen und stellt sein Wissen künftig in den Dienst der guten Sache. Schöne Geschichte, ist auch Hollywood.

Manchmal überschneiden sich die beiden Ebenen aber auch vortrefflich: Die Verfilmung des 60er-Jahre-Marvel-Comics „Iron Man“ könnte die aktuelle Weltlage nicht besser abbilden - Terror, Bomben, Rückschritt trifft auf Digitalisierung, Zukunftsvisionen, Schallgeschwindigkeit. Der Patient Welt, er hat Vorhofflimmern. Wie gut, dass das Gegenstück zu Afghanistan Silicon Valley heißt. Und einen Tony Stark gibt es auch, nur heißt er eben Elon Musk.

Wer seinen Namen hört, der denkt auch an Tesla, Nikola Tesla wohlgemerkt. Der Ingenieur und seine Wechselstromexperimente: Es blitzt, es zuckt, es bebt, es lebt. Nicht umsonst hat die bekannteste Firma von Musk den selben Namen. Er suggeriert Fortschritt, nicht Rückschritt, Zukunft, nicht Vergangenheit. Und der 45-Jährige tut alles, damit man das nicht vergisst. Er schießt wiederverwertbare Raketen ins All, kündigt Elektroautos für die breite Masse an, plant eine menschliche Röhrenpost als Transportmittel, einen Tunnel durch Los Angeles, die Eroberung des Mars und was immer da auch noch kommen mag. Rote Zahlen, Verluste, Rückschläge stören ihn wenig: Der Mann, er hat Visionen. Der Mann, er hat Fans.

Längst wird er in einem Atemzug mit genialen Erfindern wie Edison, Tesla, Ford und Jobs genannt. Von ungefähr kommt das nicht, denn Musk hat eine bestimmte Fähigkeit: „Elon Musk ist deshalb so erfolgreich, weil er bei Menschen ein Bedürfnis weckt, das sie selbst noch nicht gekannt haben“, erklärt Psychologe und Managementtrainer Michael Schmitz das Einmaleins der Innovation. Etwas völlig Neues erfinden, von dem die Welt noch nicht weiß, dass sie es braucht, das ist eine Voraussicht, die auch Autobauer Henry Ford beherrschte: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde.“ Und Ford erfand eine andere Art von Pferdestärke: das leistbare Auto für den Massenmarkt. Es geht um Geld und Leistbarkeit, aber viel mehr noch um eine Verbesserung der Lebensqualität. Das trifft auf Edisons Glühlampe genauso zu wie auf das iPhone, an das Schmitz erinnert: „Das hat unsere Welt ja drastisch verändert. Sehr viele sehen da einen großen Nutzen, eine Erweiterung ihres Lebens.“

Eines der Vorbilder von Musk:Tony Stark alias Iron Man
Eines der Vorbilder von Musk:Tony Stark alias Iron Man © Paramount Pictures

Nicht umsonst fällt im Zusammenhang mit dem Silicon Valley auffallend oft das Wort „Philanthropie“: menschfreundliches Tun für das Gemeinwohl. Eine Philosophie, die man vor allem auch im IT-Bereich im Silicon Valley findet, so Schmitz: „Diese Firmen stellen nicht nur interessante Technologien her, sondern legen Wert darauf, dass die Technologie den Menschen dazu dient, dass sie ein besseres Leben haben.“ Dieser Ansatz hat eine gemeinsame Keimzelle: die Stanford University, die Kaderschmiede vieler Visionäre. Silicon-Valley-Giganten wie Google, Cisco, Hewlett Packard sind hier am Campus entstanden. Doch das Technologie-Mekka ist kein Wunderland, sondern eine gigantische Maschine, die auch Geld abwerfen soll. Nicht zuletzt ist nicht jede Vision auch für alle Menschen nur ein Segen - wie etwa die Forschung zur Unsterblichkeit, die Google in die Hände von Transhumanist Ray Kurzweil gelegt hat. Die Anhäufung von Technologie und Wissen ist wie ein Katapult in die Zukunft. Das Gefühl, dass die Zeit zum Schreiben der Gebrauchsanweisung nicht mehr reicht, trügt nicht.

Michael Schmitz
Michael Schmitz © Schmitz


Vor allem, weil in der Wirtschaft andere Regeln herrschen: Auch der Visionär kann nicht ewig Geschichten aus dem Wolkenkuckucksheim erzählen, denn die lassen sich nur bedingt verkaufen. Visionen muss man auf den Boden bringen - und Musk hat, bei all seinen Rückschlägen, immer auch geliefert. Das festigt zumindest längerfristig seine Position. Dass sich Vorreiter wie er nicht einmal der Politik beugen wollen, zeigt sein Ausstieg aus einem Beratergremium für US-Präsident Donald Trump, nachdem dieser den Ausstieg aus dem Klimaabkommen gekündigt hat. Dass Musk und Co. die Welt schneller verändern, als es Politik vermag, verleiht ihnen eine Art von Macht, die gerne vom Weihrauch der Technikgläubigkeit vernebelt wird.

Dass gerade Musk, der mit 17 von Südafrika nach Kanada und dann weiter in die USA gezogen ist, kein Charmebolzen ist, bestätigen nicht nur ehemalige Mitarbeiter. Wer sich der Stallorder widersetzt, fliegt - aber nicht gratis ins Weltall. Den Zug zum Tor mit hohem Kollateralschaden hat er übrigens mit dem verstorbenen Apple-Boss Steve Jobs gemein. Davon sollte man sich weniger abschauen, dafür mehr von ihrer Fähigkeit, Visionen zu spinnen, empfiehlt auch Psychologe Schmitz: „Eine Vision ist immer eine Vorstellung, wie die Zukunft aussehen könnte, der Entwurf eines attraktiven Zukunftsbilds, das Inspiration gibt. Wer keine Vision hat, der sollte zum Arzt gehen. Da fehlt eben etwas von Fantasie und vom Gespür für die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten.“