Die Wiener Liquifer Systems Group ist ein Architekturbüro ganz spezieller Art. Seit 20 Jahren befassen sich Barbara Imhof, Waltraud Hoheneder und René Waclavicek mit „Architektur für extreme Umfelder“. Als „transdisziplinäre Plattform“, die sich Gedanken über „unsere Zukunft auf der Erde und im Weltraum“ macht.

In einem eben erschienenen Buch über Projekte von Liquifer wird auch die Frage gestellt, warum man sich als Architektin, als Architekt mit Lösungen für das Wohnen und Leben auf dem Mond und dem Mars beschäftigt, wenn so viele Probleme auf der Erde ungelöst sind. Barbara Imhof formuliert das so: „Es ist einfach faszinierend, in eine weitere Zukunft zu denken.“ Und in ganz anderen Räumen: „Unter den Bedingungen von Mikrogravitation, also nahezu Schwerelosigkeit, sind etwa Möbel ganz anders zu definieren, oben und unten existieren nicht.“ Außerdem gelte es, überhaupt erst ein Umfeld zu schaffen, in dem Lebewesen des Planeten Erde existieren könnten. 

Eines der Liquifer-Projekte heißt SHEE: Self-deployable Habitat for Extreme Environment, ein sich selbst entfaltender Prototyp einer rund 20 Quadratmeter kleinen Garçonniere für zwei Personen. Selbstentfaltbar, weil sich aus einem zentralen Element vier Wohn- und Arbeitszellen ausklappen lassen.

Das Szenario einer Basis am Südpol des Mondes ist weitaus größer dimensioniert: RegoLight. Ausgehend von einer mondnahen internationalen Raumstation, für die bereits ein 1:1-Modell gebaut wurde, soll das Baumaterial für die Basis direkt auf der Mondoberfläche hergestellt werden. Aus Licht und dem „Mondstaub“ Regolith, der von jenem zu einer Art Weltraumziegel verfestigt werden kann.

Auch hier zeigt sich: Wohnen im All ist von herkömmlichem Komfort weit entfernt. Die Raumstation „Gateway I-Hab“ ist sechs Meter lang und hat drei Meter Durchmesser. Den meisten Platz benötigen lebenserhaltende Systeme, den Rest sollen sich vier Personen teilen. Wesentlich beteiligt war Liquifer am Projekt Eden-ISS. In der Antarktis wurde erforscht, wie man eine Raumstation mit in geschlossenen Systemen kultivierten Nahrungsmitteln, vor allem Gemüse, versorgen kann.  

Was in vielen der Liquifer-Projekte als wichtiger Aspekt vorhanden ist: die Entwicklung nachhaltiger bzw. sich selbst erhaltender Systeme, einer Kreislaufwirtschaft. Die Entwicklung künstlicher Biosphären im Weltraum erforderten biotechnische Innovationen, die auch für die Erde von Bedeutung seien. Letztendlich ginge es darum, den ökologischen Fußabdruck gegen Null zu reduzieren. Barbara Imhof: „Wir sollten bezüglich unsere Ressourcen heute auf der Erde schon so leben wie auf einem fremden Planeten. Wir müssten Städte wie Raumschiffe planen, vollkommen autark.“ Möglicherweise führe der Weg dorthin über „Raumschiffe, die wie Städte gebaut sind“.

Derartige Überlegungen sind auch das Fundament für das Projekt Living Architecture, das nicht orbitale, sondern ausdrücklich irdische Absichten verfolgt. Die hier angedachten Kreisläufe zielen darauf ab, neue Wohnhäuser, aber auch andere und bereits vorhandene Gebäude nachhaltig zu machen. Und unabhängig. Zuvorderst energiemäßig, aber etwa mittels „vertical farming“, in Gebäude integrierte Landwirtschaft, auch hinsichtlich Nahrung. Als Professorin für „Integratives Design“ an der Universität Innsbruck denkt Barbara Imhof mit Studierenden aktuell über das auf der Erde und im All existentielle Dreigestirn „Luft Wasser Nahrung“ nach.

Inwieweit sich ihre Arbeit in den vier ganz normaler Gravitation unterworfenen Wänden – die Barbara Imhof und René Waclavicek gemeinsam bewohnen – auswirke? „Die Kunstwerke und viele Objekte in unserer Wohnung haben mit dem Weltraum zu tun.“ So landet Buzz Aldrin, beispielsweise, als Wandbild in Badezimmer und Küche nochmals auf dem Mond.