In Kapstadt geht es vor allem um Gerichte und Geschichten“, erklärt uns Keith, unser Guide mit angloafrikanischen Wurzeln. Das erste Gericht kochen wir selbst. Unter Anleitung von Madame Lucia Faldela falten und frittieren wir Samoosas, gefüllte Teigtaschen in ihrer Küche im malaiischen Stadtteil Bo Kaap. Frau Faldela liefert die Geschichten dazu. Zum Beispiel jene über Typen, die mit einem Koffer Bargeld vor der Türe stehen und viele der knallbunten Häuser aufkaufen.

Erst in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hat einer hier sein ursprünglich weißes Haus knallrot gefärbelt. Andere folgten ihm in allen möglichen Farben. Und bis heute gilt: Jede Neufärbelung muss in einem neuen Ton erfolgen, der möglichst grell sein soll. Bo Kaap ist hip geworden, Faldela mag die Zuzügler nicht, die mittlerweile dafür sorgten, dass der Morgenruf des Muezzins verstummt ist, weil sich die neuen Bobos gestört fühlten. Dieser Tage demonstrieren die Stammeinwohner täglich gegen die Stadtregierung. Sie hat Terrain, das ihnen zugesprochen war, an Immobilien-Investoren verkauft. Das empört viele. „Mich bringen sie hier ganz sicher nicht weg“, sagt Frau Faldela, „ich bleibe!“

Wir sind auf einer sogenannten Cuisine Safari Tour zu Füßen des mächtigen Tafelbergs. Und so finden wir uns alsbald im Township Langa wieder, wo wir an einem Standl Vetkoek bzw. Amagwinya verspeisen. Das sind superweiche Burger, die mit Hühnerleber, Rindfleisch oder anderem mehr gefüllt sind. Ziemlich fett, ziemlich köstlich. Sie kosten umgerechnet einen Euro. Eine Tür weiter kosten wir Fischbällchen, ebenfalls frittiert. Volks-Speisen dieser Art erklären aber auch, warum in Südafrika Diabetes Aids als Volkskrankheit überholt hat.

Im Xhosa-Township Gugulethu wartet Sheila Tempi ein köstliches Huhn mit Spinatpudding auf, ein sonntägliches Festessen: „Das ist kein Batteriehuhn“, betont sie stolz, „das Tier hatte freien Auslauf.“ Sheila röstet dafür einen Berg Zwiebeln dunkelbraun an, dann gießt sie mit Gemüsebouillon auf, legt die Hühnerteile hinein, schließt den Deckel und lässt das Ganze drei Stunden lang simmern. Dann ist das Fleisch mürbe und fällt förmlich von den Knochen.

Die hinlänglich bekannten Townships, ein Vermächtnis der Rassentrennungszeit, in der Schwarze und Farbige in solchen Siedlungen konzentriert wurden, bestehen in der Regel heute aus sehr kleinen, sehr engen Häuschen, erstrecken sich meist über etliche Quadratkilometer und werden noch immer überwiegend von Schwarzen bewohnt. Die meisten verfügen über Schulen, Kulturzentren oder auch bescheidene Restaurants.

Die Stadtverwaltung arbeitet heftig an neuen, etwas großzügigeren Bauten. Aber auch ein irischer Milliardär, der sich offenbar in Kapstadt verliebt hat, investierte schon ein kleines Vermögen, um dort mehr würdigen Wohnraum zu schaffen.

In solchem Umfeld könnte man glatt vergessen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den Townships bei 70 Prozent liegt und die Kriminalität speziell in diesen Stadtteilen immer noch extrem hoch ist.
Aber es geht noch viel schlimmer: Im Großraum Kapstadt leben etwa eine Million (meist) schwarzer Menschen ohne Strom und fließendes Wasser unter Sperrholz und Wellblech. Meist am Rand der viel aufgeräumteren Townships. Sie werden euphemistisch „Informelle Siedlungen“ genannt.

Wer die vermutlich schönste aller afrikanischen Städte besucht, muss starke Gegensätze ertragen können. Nur wenige Kilometer von diesen Slums entfernt liegt die elegante Innenstadt Kapstadts, aber auch traumhafte Buchten wie Camps Bay. Zahlreiche Europäer und auch immer mehr Österreicher haben hier Häuser oder Appartements gekauft, um den heimischen Winter mit dem südafrikanischen Sommer zu tauschen.

Das quirlige Herz Kapstadts aber ist die Victoria & Alfred Waterfront mit ihren zahllosen Geschäften, Hotels und Restaurants. In Letzteren kann man sich durch die afrikanische Tierwelt futtern, im Belthasar etwa gibt es fantastische Steaks vom Kudu oder Springbock zu zivilen Preisen, von denen heimische Karnivoren nur träumen können. Gleich nebenan kann man um rund 15 Euro Riesenportionen Rock-Shrimps oder Thunfisch-Tataki ordern. Dazu Obst und vegetarische Köstlichkeiten aller Art.

Ein Ausflug zur 1692 etablierten Farm Babylonstoren gibt Einblick in den Pflanzenreichtum Südafrikas. Ein Medienmogul hat das insgesamt 700 Hektar große Anwesen vor zehn Jahren gekauft und in eine Musterlandwirtschaft verwandelt. Im dreieinhalb Hektar großen Schaugarten gedeihen rund 200 Sorten Obst, Gemüse und Heilkräuter. Alles ökologisch einwandfrei, durch Zucht diverser Nützlinge, die den Gifteinsatz überflüssig machen sollen. – Ein Eden im Kleinformat. Dank des eigenen Stausees hat man heuer die drohende Dürrekatastrophe unbeschadet überstanden.

Zurück in die Stadt: Wer nahe der V & A Waterfront logiert, hat die neueste Attraktion Kapstadts in Gehweite: Das Museum of Contemporary African Art (MOCAA), für das ein gigantischer alter Betonsilo umgebaut wurde. Nebst Arbeiten schwarzafrikanischer Künstler findet man dort auch ein neueres Meisterwerk von William Kentridge. Eine teils gezeichnete, teils gespielte Prozession, die in den Raum projiziert wird.
Übrigens: Auf YouTube kann man sie unter „More sweetly play the dance“ sehen und hören.

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