Marcus ist streng, im feinen Zwirn gibt er den vom hochklassigen Spiel Gezeichneten aber nur sanft Stoff. Er kann ja nicht anders, die Regeln lassen ihm keinen Spielraum. No ticket, no chance. Wer die Matchkarte achtlos entsorgt hat, steht im Trockenen und kann nicht im McGettigan’s, einem klassischen Pub gleich neben dem Stadion von Chelsea („The Blues“), den Sieg begießen oder den Frust hinunterspülen. Das Ticket ist die Boarding Card, danach entschwebt der Gast in höhere Bier-Sphären. Marcus outet sich nun als Arsenal-Fan. Aber das ist streng geheim.

Lassen wir Big Ben die Stunde schlagen und den Buckingham Palace die Wachen ablösen – in London wird der Stoff gewoben, der den Fußballtraum in echtes Feeling kleidet. In England gehört das Spiel zum gesellschaftlichen Outfit aller Schichten und zum guten Ton. Fast aus jedem Winkel der Stadt dröhnt an den Weekends und häufig auch an Wochentagen der Sound des ewigen Kicks. Angefangen von den milliardenschweren Klubs wie Chelsea und Arsenal bis hin zu den kleinen, aber feinen „Underdogs“ aus den Klassen abseits der Premier League wird alles geboten. Und weil die Herkunft keine Rolle spielt, darf auch der österreichische Liebhaber des Spiels am Mutterland-Flair teilhaben. In schöner Regelmäßigkeit werden Fanreisen offeriert, nach London und auf den beachtlichen Rest der Insel, Manchester und Liverpool sowieso inklusive.

Aber nirgends zieht die Dichte des Angebots den Besucher so in den Bann wie in der 10-Millionen-Metropole. Bei günstigen Konstellationen und mit ausgefeilter Logistik könnten an nur einem Wochenende bis zu vier Partien live in den Stadien verfolgt werden, ohne in Hektik abzugleiten. Schon die Stunden vor dem Match lassen in den umliegenden Pubs und vor den Toren jene Atmosphäre spürbar werden, die im Herzen der Arena enorme Energien freisetzt. Sie reicht spielend für zweistündige Choräle, die den Tanz auf dem Rasen akustisch übermalen, die Gesänge formen ein harmonisches Klanggebilde. Von der Stimmung nicht mitgerissen zu werden, ist de facto ein Ding der Unmöglichkeit. Der Rahmen ist wohlgesittet, die einst gefürchteten Hooligans sind in englischen Stadien nur noch ein historisches Phänomen.

Angus ist locker, einfach gut drauf. Die Kopfhörer im Bus, der zur nächtlichen Tour durch London aufbricht, wären bereit, aber sehr rasch bleiben diese links liegen. Wer des Englischen mächtig ist, lauscht den launigen, humoristischen Ausführungen des Guides, der bei jeder passenden Gelegenheit einen Schwank zum Besten gibt. Etwa jene Episode vom 9. Juli 1982, als ein gewisser Michael Fagan ungehindert in den Buckingham Palace spazierte, der (um sieben Uhr früh noch schlafenden!) Queen in deren Schlafzimmer einen Besuch abstattete und, am Bettrand sitzend, mit der Königin ein zehnminütiges Plauscherl veranstaltete. Oder wir erfahren bei den Houses of Parliament etwas über die Gewohnheiten des durchschnittlichen Unterhaus-Mitglieds, das sich Tag für Tag steuerfrei in den Kantinen volllaufen lässt.

Die Begleitmusik zu einem London-Trip kann also natürlich wesentlich mehr umfassen als die bloße Erfahrung der Fußball-Kultur. Das müssen nicht nur die Klassiker wie Tower, Tower Bridge oder der im Grunde verpflichtende Besuch von Madame Tussauds sein. Auch Kleinodien gehören zum Repertoire. In der Brook Street ist jenes Haus zu besichtigen, in dem Jimi Hendrix Nachbar von Georg Friedrich Händel gewesen wäre. Pop meets Klassik. Die Zeitdifferenz von mehr als 200 Jahren war aber nicht zu überwinden. Im Sherlock Holmes Museum begibt man sich auf die Spuren des berühmten Detektivs und staunt, wie viele Menschen einer fiktiven Figur folgen. Das Schlangestehen ist business as usual. Die Garnierung des Trips mit einem Steak, das selbst in den gewünschten Zustand zu versetzen ist, oder mit einer Pub-Tour reizt ebenso. Cheers.

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