Raschelndes Herbstlaub unter den Sohlen. Das Blinzeln der Sonne durch kahl gewordene Zweige, das den Waldweg mit tanzenden Spotlights ausleuchtet. Bis zu jenem Punkt, an dem der Weg in Weite übergeht und der Blick über blaues Wasser und weiße Gipfel bis zum Horizont gleitet. Klingt kitschig. Ist es auch. Aber wenn es die Natur selbst ist, die so maßlos herumprotzt, geht das schon in Ordnung.

Tatsächlich folgen viele Spazierwege entlang oder nahe der Kärntner Seen der beschriebenen Wander-Dramaturgie. „Ich kenn da ein schönes Platzerl, von da sieht man über den ganzen See.“ Früher raunten das die Einheimischen – heute heißen sie ja Locals – ihren Gästen vorm Verdauungsspaziergang zu. Mittlerweile wurde der Wert dieser verwunschenen Seewege erkannt und zur touristischen Marke erhoben. „Slowtrails“ werden die Kurzwanderungen in Sichtweite glitzernder Seenlandschaften nun genannt.

Acht davon gibt es bereits in Kärnten, ein neunter am Afritzer See nahe Villach steht kurz vor der Eröffnung. Ihr Wegzeichen ist eine stilisierte Schnecke, die jene Erfahrung symbolisiert, die auf den Slowtrails gemacht werden soll (und kann): Ruhe in der Natur finden, sich entschleunigen, Gelassenheit üben. Alles in Bewegung, aber ohne übermäßige Anstrengung.

Leistungswanderer, die ihre Touren gerne tracken und nach allen Regeln der Kunst ausmessen, werden keine furiosen Daten sammeln können entlang dieser Wege. Denn sie sind nie länger als zehn Kilometer, verlangen einem nie mehr als 300 Höhenmeter ab und bescheiden sich auf maximal drei Stunden Gehzeit. Ihr Startpunkt liegt stets nah der Dorfzentren.

Slowtrails führen auch  an den Pressegger See
Slowtrails führen auch an den Pressegger See © Andreas Schuller Fotografie

Der Glanz der Slowtrails liegt also nicht in Zahlen, Daten und Fakten, sondern in ihrem charakteristischen Spannungsbogen. Nach kontemplativen Passagen durch Wälder, Moore und Bergwiesen erreicht man einen spektakulären und architektonisch in Szene gesetzten Seeblick.

Auf diese Weise wurde der Weg um den Zwergsee, sozusagen auf der Beletage oberhalb des Millstätter Sees, von der familientauglichen Spazierrunde zu einem Wallfahrtsort von Instagrammern. Die Aufwertung zum Slowtrail hat auch die Römerschlucht und den AussichtspunktHohes Kreuz oberhalb von Velden auf die Bucket List vieler Urlauber und Tagesausflügler gebracht. Sogar als Locations für Hochzeitsfotos machen manche dieser Seebalkone bereits Karriere.

Das Bleistätter Moor liegt nahe dem Ossiacher See
Das Bleistätter Moor liegt nahe dem Ossiacher See © www.stefanleitner.com

Klingt fast schon bedrohlich, aber wir können Entwarnung geben: nicht jetzt, im Spätherbst. Da werden die Slowtrails ihrem Namen mehr als gerecht: Kaum frequentierte Spazierwege, mildes Sonnenlicht und ein Berge-See-Postkartenmotiv als Belohnung. Eine schöne Gelegenheit, Licht zu tanken und so etwas wie Leichtigkeit wiederzufinden. Wohl nicht die schlechteste Idee für die bevorstehenden Wochen.

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