Er ist ein Jäger des Lichts, ein Momente-Sammler, ein Maler mit der Kamera, der die Natur nicht bloß kopiert, sondern gleichsam verwandelt, indem er dreidimensionale Erscheinungen in flächige Bilder überträgt.

Die Rede ist von Herbert Raffalt, von Beruf Bergführer und aus Berufung Naturfotograf. Dass sich beides miteinander gut verbinden lässt, ist ein Geschenk, denn erste Voraussetzung für gute Bilder ist, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Landschaftsbilder tauchen oft nur für Sekunden auf, bevor sie wieder vergehen – diese Momente im richtigen Augenblick zu erfühlen und mit der Kamera festzuhalten, bevor sie unwiederbringlich vergehen, darauf versteht sich Herbert Raffalt meisterhaft.

Dabei lässt er die Natur noch „natürlich“ sein, sodass sich seine Bilder wohltuend vom knallig bunten Landschaftskitsch abheben, der einem aus der Foto-Community überall im Internet entgegenwuchert. Auch ohne überzogene Weitwinkel-Dramatik, überzeichneten Wolkenhimmel und schrille Farben ist die Natur monumental und Ehrfurcht gebietend.

Viele Reisen haben den Abenteurer rund um die Welt geführt, doch die heimischen Alpen sind das bevorzugte Thema geblieben. Das Ergebnis ist eine fotografische Hymne auf das Land der Berge. Wasser, Wälder und Berge machen die landschaftliche Vielfalt Österreichs aus, wobei Letztere mehr als 60 Prozent der Fläche bedecken. Aber das gebirgige Rückgrat ist viel mehr als nur die Summe von Gipfeln. Es ist eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft im Herzen Europas und von vitaler Bedeutung für den urbanen Menschen. Schon vor Jahrtausenden wurden die Almen bewirtschaftet und sie haben bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Sie bieten mit ihren Naturschätzen, dem kristallklaren Bergwasser, der guten Luft Raum zum Atmen und zur Entschleunigung.

Nicht die Gipfel, sondern die Wege sind das Ziel. Herbert Raffalt ist den alpinen Wegen gefolgt, den alten wie auch neuen, ob im Schafsgalopp über den Alpenhauptkamm auf den uralten Routen der Wanderhirten oder in luftiger Höhe auf dem Kaiser-Franz-Joseph-Steig hoch über dem steirischen Erzberg. Mehr als 6000 Jahre reicht die Tradition des Schafübertriebs über den Alpenhauptkamm vom Schnalstal ins Ötztal zurück. Auch der Fund des Ötzi ganz in der Nähe dieser transalpinen Schafrouten darf in diesem Zusammenhang gesehen werden. Trotz der scharfen Grenzziehung ab 1918 zwischen Süd- und Nordtirol ist diese Tradition bis heute lebendig geblieben.

Bergführer und Fotograf Herbert Raffalt
Bergführer und Fotograf Herbert Raffalt © OLIVER RICHTER

Rund 3500 dieser wolligen Grenzgänger werden alljährlich im Juni von Hirten aus Südtirol über teils vergletscherte Pässe zu ihren Sommerweiden ins hinterste Ötztal getrieben und im September in der Gegenrichtung wieder zurück. Wer dem beiwohnt, erlebt ein archaisches Schauspiel – auch ein ohrenbetäubendes. Wie ein riesiger Wollfaden windet sich die Schafkarawane laut bimmelnd und blökend über die hochalpine Landschaft.

Im Juni, wenn noch viel Schnee liegt, müssen die Hirten schon mal mit vereinten Kräften eine Spur freischaufeln oder das eine oder andere Jungtier über heikle Stellen tragen. Kein Wunder, dass dann die gelungene Rückkehr im Herbst durch ein Fest ausgiebig gefeiert wird. Im Jahr 2011 wurde diese Tradition des grenzüberschreitenden Schaftriebs sogar auf die Liste des immateriellen Unesco-Kulturerbes aufgenommen.

In „Bilder der Welt“ zeigt Herbert Raffalt nicht nur die Naturschönheiten unserer Heimat als opulentes Hör- und Seherlebnis, sondern auch die Begegnung mit Menschen, die diese im wahrsten Sinne des Wortes beseelen. Menschen wie der Lyriker Bodo Hell, der seit mehr als 30 Jahren als „Hoida“ (Hirte) auf der Grafenbergalm im Dachsteingebirge lebt und aus der Herausforderung mit der Bergnatur seine Inspiration bezieht, oder die Kräuterfrau Susanne Türtscher, die im abgelegenen Walsertal auf ihren Ausflügen in die Bergwelt die heilenden Kräfte der Natur wiederentdeckt.

Einen ganz anderen Schatz hebt der kauzige Märchenerzähler Helmut Wittmann aus dem Almtal. Sein Revier sind die überlieferten Volksmärchen und Sagen, aus denen er die Lebenserfahrung und Weisheit herausschält, ähnlich dem Fotografen, der seine Kamera als Werkzeug benutzt, um sein Motiv von der umgebenen Wirklichkeit zu befreien.