Im Wörterbuch des Hütten-Slowenischen hat sich das wunderschöne Wort štruklji einen besonderen Platz verdient. Der vermeintliche Zungenbrecher entpuppt sich schon bald als eine Bergsymphonie aus Schokolade, Topfen, Preiselbeeren oder anderen Zutaten. Der Fantasie, auch das wird schnell klar, sind bei diesem slowenischen Nationalgericht keine Grenzen gesetzt.

Um Grenzen geht es auch in dieser Geschichte, die ihren Ursprung an einem kalten Novembertag an den Südhängen des Koschuta-Bergmassivs hat. Es ist inzwischen einige Jahre her, dass ich die erste Eintragung über „eine Art Schokostrudel“ in mein Bergbuch machte.

Der Gipfel des Hochturms (Veliki vrh) lag schon hinter mir, türkischer Kaffee und ein Teller mit jener dampfend warmen Wohltat namens štruklji wurden soeben auf den vom Wetter geschundenen Holztisch der Schutzhütte Dom na Kofcah gestellt und ließen mich frohlocken. An jenem Tag begann die Liebe zu einer Mehlspeise, die mich seitdem immer wieder in die Grenzregion zwischen Österreich und Slowenien führen sollte, um „moje slovenske štruklje“ zu essen, meine slowenischen štruklji.

Die Tour auf den Hochturm
Die Tour auf den Hochturm © KLZ/Infografik

Der in den Mühlen der Digitalisierung aufgeriebene gedruckte Brockhaus notiert unter „Grenze“: „Vorgestellte Linie, die als Staatsgrenze die Gebiete zweier Staaten trennt.“ Über die Berggipfel der Karawanken und Karnischen Alpen verläuft diese Grenze „links und rechts“ einer gedachten Linie zwischen Österreich einerseits und seinen beiden Nachbarstaaten Slowenien und Italien andererseits.

Hunderte Kilometer Fels und Stein, die schon im Ersten Weltkrieg mancherorts Schauplatz zerstörerischer Gebirgskriege waren und viel zu lange Zeit ein Gedankenspielraum der Abschottung blieben. Wer heute über die grüne Grenze wandert und auf die in den Boden eingegrabenen Steine mit der Gravur RS für Slowenien trifft, stolpert meist darüber hinweg – und auf dem Weg nach oben verhallen sie im Gleichklang der Schritte.

Die Hütte Dom na Kofcah
Die Hütte Dom na Kofcah © Andreas Kanatschnig


Heute sind Grenzberge im besten Fall ein Erlebnisraum geworden, den wir auf Kaffeefahrt in den Bergen erleben dürfen. Doch die Pandemie hat uns die Zerbrechlichkeit dieses Freiraumes wieder vor Augen geführt. Dass offene Grenzen keine Selbstverständlichkeit sind, sondern ein Gut, dessen Erhaltung wir nicht hoch genug schätzen dürfen. Etwa auch, wenn wir „moje štruklje“ endlich wieder genießen dürfen.

Eine besondere Tour

Eine besondere kulinarische Bergfahrt lässt sich in der Koschuta, einem Teil der Karawanken, erleben. Von Klagenfurt kommend, auf der Höhe von Maria Rain, nimmt dieser Gebirgsstock am Horizont mit einem Mal so gewaltig viel Raum ein, dass der Atem stockt vor so viel Erhabenheit. Auf Kärntner Seite zeigen sich die Gipfel zwischen Dicker Koschuta (Tolsta Košuta, 2059 Meter) im Osten und dem Hochturm (Veliki vrh, 2088) im Westen schroff und abweisend.

Wer nicht immer Mühsal und Anstrengung in den Vordergrund seiner Gipfelunternehmungen stellen will, setzt sich ins Auto (oder schwingt sich aufs Fahrrad) und fährt über die Loiblpass-Straße bis nach Podljubelj, kurz vor dem Ort biegt man rechts ab und fährt über eine Straße bis hinauf in Richtung Matizovec-Bauer. Besser ist es, auf dem ersten Parkplatz (von hier 1,2 Kilometer bis zum Bauernhof) zu parken. Auf einer Seehöhe von ungefähr 1000 Metern starten wir unsere Wanderung zunächst auf einer Forststraße.

Der Weg zur schon erwähnten Hütte Dom na Kofcah ist nicht schwer, auch für etwas größere Kinder geeignet. Nach ungefähr einer Stunde erreicht man die auf den grasbedeckten Südhängen der Koschuta gelegene Hütte. Und bevor sie jetzt zum ersten Mal einkehren (nach dem Gipfel des Hochturmes dürfen Sie ein zweites Mal haltmachen), lernen Sie bitte schnell auf Slowenisch zählen: ena, dve, tri also eins, zwei, drei. Das sollte reichen, falls Sie mit einer Portion der Süßspeise oder einem Kaffee nicht genug haben.

Als Peter Vogelnik im Alter von 18 Jahren auf der Schutzhütte seinem Vater half, bereitete er das erste Mal štruklji zu. Heute ist Vogelnik 41 und hat daraus die Marke „Moji slovenski štruklji“ gemacht – mit zwei Standorten in Laibach und ab Juni einer Filiale in Bistrica pri Tržiču. Das Geheimnis dabei ist: „Es ist ein Familiengeschäft. Wir bereiten alles mit viel Liebe und Leidenschaft zu.“ Zu den Schokolade-, Topfen- oder Schwarzbeer-štruklji trinkt man türkischen Kaffee – wie in den slowenischen Schutzhütten üblich.

Das Team um Patrik Slapar, Peter Vogelnik, Mira Beldin und Miha Mokorel (von links) sorgt für Speis und Kaffee
Das Team um Patrik Slapar, Peter Vogelnik, Mira Beldin und Miha Mokorel (von links) sorgt für Speis und Kaffee © Dom na Kofcah

Höher und immer höher

Wer sich gestärkt hat, darf weiterziehen: einfach an der Hütte vorbei in Richtung Gipfel (eine kleine Bank und ein Kreuz laden schon bald zur ersten Rast ein). Man folgt dem Weg nach links, eine Steilstufe mit einer Seilsicherung erfordert etwas „Handgreiflichkeit“, wohl auch etwas Schwindelfreiheit. Der Weiterweg auf einem schmalen Steig führt zielsicher zum 2088 Meter hohen Hochturm. Von hier aus überblicken wir den ganzen Koschutazug, und direkt vor uns baut sich in nördlicher Richtung die Loibler Baba auf.

Auf dem Rückweg lohnt sich der Abstieg über den Hüttenberg (Kofce gora, 1967), dafür folgt man am Gipfelgrat dem Weg Richtung Osten. Dieser Abstieg ist allerdings etwas schwieriger und erfordert Schwindelfreiheit und vor allem Trittsicherheit. Und am Rückweg kehrt man noch einmal ein – bei Familie Vogelnik, die ihre Schutzhütte passenderweise an diesem Wochenende wieder aufsperrt.

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