Gesehen hat ihn noch niemand, aber so viel scheint sicher: Rübezahl (tschechisch: Krakonos) soll mehr als drei Meter groß und sehr wankelmütig sein. Das launische Fabelwesen passt auf die Umwelt im "Böhmischen Paradies" (Cesky ráj) und im tschechisch-polnischen Riesengebirge auf.

Ordnungsliebenden Touristen schenkt die mythische Märchenfigur traumhafte Panoramen über romantische Schluchten und Täler, im Zickzack fließende Bäche, abwechslungsreiche Wanderpfade und Bikerwege.

Rübezahl passt im tschechisch-polnischen Riesengebirge auf die Umwelt auf
Rübezahl passt im tschechisch-polnischen Riesengebirge auf die Umwelt auf © GRAM

Wer sich danebenbenimmt, dem droht allerdings Ungemach. Achtlos entsorgter Müll kann teuer werden. Zwar bestraft Rübezahl nicht persönlich, aber er jagt schlampigen Umweltsündern seine aufmerksamen Parkranger hinterher.

Und rücksichtslosen Rauchern geht's im mehr als 180 Quadratkilometer großen Naturpark mit außergewöhnlichen Landschaften, geologischen Phänomenen und herrlichen Biotopen überhaupt an den Kragen.

Die Prachauer Felsen liegen im äußersten Osten des „Böhmischen Paradieses“. Die bekanntesten Steine der Felsstadt sind die Prachauer Nadel und Mütze
Die Prachauer Felsen liegen im äußersten Osten des „Böhmischen Paradieses“. Die bekanntesten Steine der Felsstadt sind die Prachauer Nadel und Mütze © CZECH TOURISM

"Sind Sie blind?", weist Jirí Krupka eine deutsche Alpinistin, die sich gerade eine Zigarette anzünden will, resolut auf die unmittelbar neben dem Rastplatz postierte Nichtraucher-Tafel hin. "Rübezahl sieht alles", grinst der tschechische Bergführer, als sich die perplexe Hamburgerin artig entschuldigt. Aber der Berggeist ist diesmal auch gnädig, Krupka belässt es ausnahmsweise bei einer Verwarnung.

Bergfex Jirí hat es eilig. Im ältesten Naturschutzgebiet der ehemaligen Tschechoslowakei (seit 1955) warten Kletterschüler auf ihn. Die 400 schroffen, bis zu 55 Meter hohen Sandsteinquader, die eine fabelhafte Naturarena formen, locken Amateure und Profis gleichermaßen zu den Prachover Felsen (Prachovské skály).

In der Stadt Spindlermühle an der Elbe war Franz Kafka 1922 auf Kur und begann die Arbeit an seinem Roman „Das Schloß“
In der Stadt Spindlermühle an der Elbe war Franz Kafka 1922 auf Kur und begann die Arbeit an seinem Roman „Das Schloß“ © Fotolia (Peter Eckert)

Jirí zieht sich vor erstaunten Gästen wie eine Katze die enge Schlucht hoch. Ohne Seil und ohne passendes Schuhwerk. "Nachmachen ist verboten", betont der erfahrene Kletterer. "Ich wollte nur zeigen, wie man mit den Fingern in den Felsspalten Halt finden kann." Gut, dass auch 7000 Steinstufen aufs Dach der beeindruckenden Felsenstadt im Nordosten Böhmens führen.

Rübezahl hinterlässt auch im Riesengebirge (Krkonose) seine Spuren. In jeder noch so kleinen Ortschaft, auf den Dorfplätzen, in den Gaststätten stehen kleinere und größere Holzbüsten des berühmten Geistes, der der Sage nach Mitte des 16. Jahrhunderts im alpinen Grenzgebiet zwischen Tschechien und Polen in verschiedenen Gestalten (u. a. Mönch, Jäger) sein Unwesen getrieben haben soll.

Über den Gipfel der Schneekoppe mit Laurentiuskapelle, Observatorium, Postamt und Bergstation der Seilbahn verläuft die Grenze zwischen Polen und Tschechien
Über den Gipfel der Schneekoppe mit Laurentiuskapelle, Observatorium, Postamt und Bergstation der Seilbahn verläuft die Grenze zwischen Polen und Tschechien © Fotolia

Ein jugendliches Paar, das als "Rübezahl" und "Mama Hantsche" verkleidet durch die unberührte Botanik patrouilliert, schürt fleißig die Legenden um den bärtigen Berggeist. Selbst auf der Schneekoppe, dem höchsten Berg Tschechiens und Schlesiens (1603 Meter), grinst ein geschnitzter Rübezahl aus einem Wandverbau. Schließlich muss er überall in seinem Revier nach dem Rechten sehen.